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Aetherhertz

Aetherhertz

Titel: Aetherhertz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Bagus
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Die junge Frau überraschte ihn; er hatte nicht viele Erfahrungen mit dem schönen Geschlecht. Junge Damen in seinem Alter langweilten ihn meist schnell, ihre Interessen waren ihm unergründlich und fremd. Friedrich hatte ihn immer geneckt, dass er Frauen nicht nach ihren intellektuellen Qualitäten beurteilen sollte, sondern nach den äußerlich sichtbaren Merkmalen. Aber auch äußerlich mochte er Annabelle. Er fand sie sehr viel schöner, wenn sie natürlich aussah, als wenn sie perfekt ausstaffiert war. Als sie gestern Abend mit den offenen Haaren und den bloßen Füßen in die Küche gekommen war, hatte es ihm mal wieder den Atem verschlagen.
    Aber seine wenigen Erfahrungen hatten ihn gelehrt, dass die Frauen mit ihm Probleme hatten. Sie beklagten sich später oft bei seinem Bruder (der überhaupt kein Problem hatte, gebrauchte Dinge noch einmal zu benutzen), dass er zu steif wäre, seine Gesprächsthemen zu langweilig, er mache nicht genügend Komplimente, er könne die modischen Tänze nicht, sein Beruf wäre staubtrocken.
    Wahrscheinlich stimmte das alles. Was sollte jetzt also anders sein? Sollte er es wirklich versuchen, diese kluge und lebenslustige Frau für sich einzunehmen? Oder war der Versuch nicht von vorneherein zum Scheitern verurteilt? Was hatte er zu gewinnen, und was zu verlieren? Vielleicht sollte er lieber versuchen, eine solide Freundschaft zu Annabelle aufzubauen. So weit man mit einer Frau befreundet sein konnte.
    Was machte er aber mit seiner verräterischen Fantasie, die in den unangenehmsten Momenten zuschlug? Die ihn mit Visionen von ihrem Körper unter der Kleidung quälte, von ihren Lippen, ihren Haaren, die so fein nach Maiglöckchen rochen. So wie jetzt, als sie ihn ansah, mit Augen wie ein Waldsee und roten Wangen und lachte: “Hallo, träumst du oder hörst du mir zu?“
    „ Ich versuche nicht an tote Kinder zu denken“, redete er sich heraus. „Ich kann nicht verstehen, wieso du so erpicht darauf bist.“
    „ Ich bin nicht erpicht darauf“, entgegnete sie. „Ich glaube nur, es würde uns weiterbringen.“
    „ Warum?“
    „ Ich habe nur so eine Ahnung.“ Sie hatte rote Wangen und ihr Atem machte kleine Wölkchen in der kalten Luft.
    „ Was denn für eine?“
    „ Naja, etwas, das Friedrich gesagt hat, lässt mich nachdenken.“
    Aha. Da war er also doch wieder, sein lieber Bruder. Interessanterweise nicht seine körperlichen Attribute, die die Frauen in die Knie gehen ließen, sondern etwas, das er gesagt hatte.
    „ Was hat er denn gesagt?“, fragte er vorsichtig.
    „ Nun, er hat von seiner Arbeit erzählt. Von dem Blitzen. Was passiert dabei eigentlich? Ich meine, es verändert die Menschen doch. Oder ist es das, was die Berichtiger danach machen, was die Menschen so anders werden lässt?“
    „ Ich glaube, es ist beides”, sagte Paul nachdenklich.
    „ Aber dürfen wir das?“ Sie sah ihn intensiv an.
    „ Was?“ Paul war jetzt verwirrt. Ihre Nähe machte es schwierig, klar zu denken.
    „ Na, Menschen so verändern. Ist das richtig?“ Sie gestikulierte aufgeregt.
    „ Was macht es falsch?“
    „ Papa sagt immer, wir Menschen brauchen etwas, an das wir glauben. Im Religionsunterricht und in der Kirche höre ich, dass Gott uns nach seinem Ebenbild geschaffen hat. Wer sind wir also, dass wir uns anmaßen, jemanden zu ändern? Und hat nicht Jesus gesagt: 'Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein?', und so was wie: 'Du sollst nicht richten', oder so.“
    Nun war er baff. Eine religiöse Debatte mitten auf der Straße. Mit einer Frau.
    „ Und Papa sagt, der größte Fehler Gottes wäre es gewesen, uns einen freien Willen zu geben.“
    „ Was hat denn nun das Eine mit dem Anderen zu tun?“
    „ Also ich habe überlegt: Wenn die Frauen aus freiem Willen etwas Toxisches zu sich genommen haben? Wen sollte man dafür anklagen?“ Wieder sah sie ihn ganz genau an. Er hoffte, jetzt nichts Falsches zu sagen.
    „ Diese Entscheidung können wir aber erst treffen, wenn wir wissen, was mit den Frauen geschehen ist.“
    Annabelle sah ihn erleichtert an. „Ja. Danke.“ Sie berührte seinen Arm.
    „ Wofür?“ Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. Sie war einen Kopf kleiner, und er sah auf sie herunter. Der Pelzkragen ihres Mantels rahmte ihr hübsches Gesicht ein, und er hätte sie gern berührt.
    „ Dafür, dass du mich nicht ausgelacht hast.“
    Paul schüttelte den Kopf: „Nun, ich kann dich erst auslachen, wenn du etwas Dummes tust. Aber dein Engagement für

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