Aetherhertz
dem Herrn Professor gesagt, »Professor« habe ich gesagt, »das ist nicht gut für Annabelle«. Was sagen Sie dazu, Herr Falkenberg?“, fragte Frau Barbara unerwartet den verdutzten jungen Mann.
Annabelle warf Herrn Falkenberg einen warnenden Blick zu.
Der nahm schnell noch einen Schluck aus seiner Tasse: „Ich glaube, Fräulein Rosenherz kann ganz gut entscheiden, ob sie so lange arbeiten möchte. Schließlich tut sie das ja freiwillig, oder?“
Annabelle nickte zufrieden. Jetzt hatte er gepunktet und sie verzieh ihm, das er auf ihrem Platz saß.
„ Außerdem ist es wichtig, was ich tue“, sagte sie. Dankbar wärmte sie ihre Finger an dem Hagebuttentee, den sie von Frau Barbara bekam. Diese begann bereits, irgendetwas am Herd zuzubereiten und klapperte mit Pfannen und Töpfen.
Nachdem Paul Falkenberg daraufhin nichts fragte, brach sie das Schweigen. „Wie kommen Sie voran?“
Er nickte. „Gut. Ich habe langsam einen Überblick und bin überwältigt über die Bandbreite der Sammlung. Ich denke, in drei oder vier Tagen könnte ich Ihre Hilfe hier gebrauchen.“
Ach ja, sie hatte ihm angeboten, bei der Katalogisierung zu helfen. Sie wusste nicht, was sie jetzt sagen sollte. Aber die Sache im Institut war ihr gerade wichtiger.
„ Oder passt Ihnen das nicht?“, fragte Paul Falkenberg, der ihr Schweigen richtig interpretierte.
„ Wir kommen im Institut einfach nicht voran. Wir brauchen mehr Zeit, aber es gibt schon wieder neue Fälle, und was, wenn es noch mehr geben wird, und wir nicht herausbekommen, was dahinter steckt?“
„ Vielleicht hilft es, wenn Sie mir davon erzählen“, bot er an.
Annabelle dachte kurz nach, und begann dann von vorne. Von der Schwangeren und dem unkooperativen Arzt. Von der verhungerten Maria Gerber und von den drei Frauen, die sie heute untersucht hatte. Frau Barbara schlug sich erschrocken die Hände vor den Mund und hieb dann laut klappernd mit einem Schneebesen auf etwas ein.
„ Ich muss noch herausfinden, ob das vielleicht die Freundinnen sind, von denen Frau Gerber gesprochen hat. Ich habe natürlich vergessen, mir die Namen geben zu lassen. Aber das mache ich morgen. Die sahen nämlich genau so aus, wie Frau Gerber mir das beschrieb, so grässlich geschminkt. Und sie haben alle die gleichen Vergiftungserscheinungen. Ich muss herausbekommen, was die gemacht haben. Die haben doch alle irgendetwas gegessen oder getrunken. Aber was?“
„ Haben Sie schon mal an Absinth gedacht?“
Annabelle nickte und machte eine wegwischende Handbewegung: „Ja, aber wir haben keine Leberschädigung. Man ist sich ja beim Absinth nicht sicher, ob es das Thujon oder die Fuselalkohole sind, aber beides greift die Leber an. Naja, und es passt nicht: Die Damen saßen in Cafés herum.“
„ Tagsüber. Was haben sie abends gemacht?“
Annabelle nickte. Das hatte sie auch schon angedacht. Sie zog sich in Gedanken die Haarnadeln wieder aus dem Zopf und spielte mit ihnen herum. „Ich müsste eigentlich an so vielen Orten gleichzeitig sein, und all diese Fragen stellen. Aber der Kommissar hat versprochen, dass er Leute abstellt, die die Krankenhäuser durchsuchen, um nach möglichen noch lebenden Frauen zu suchen, die schon Vergiftungserscheinungen zeigen.“
Frau Barbara stellte ihnen einen Teller hin. Annabelle aß, ohne zu schmecken, was.
„ Wissen Sie was?“, sagte Annabelle plötzlich in die Stille hinein. „Die Veränderung der Speiseröhre war bei der ersten Toten noch ganz frisch. Als ob sie noch nicht so lange vergiftet wurde. Naja, letztlich ist sie ja auch unter der Geburt verstorben. Sie war auch nicht abgemagert, wie die anderen. Ich muss herausbekommen, was bei ihr anders war.“
“ Rede doch über so etwas nicht beim Essen”, rügte Frau Barbara.
Paul schluckte herunter und sagte: “Sie war Russin.“
Annabelle sah ihn hoffnungsvoll an: „Woher wissen Sie das?“
„ Ich liebe dich.“
Frau Barbara ließ einen Löffel fallen und drehte sich zu ihnen um. Paul grinste. „»Ja lublju tebja« heißt »Ich liebe dich«. Das hat die Frau der Schwangeren hinterher gerufen. Der Kutscher hatte es nur nicht richtig verstanden.“
Annabelle wurde ganz heiß, so erleichtert war sie. Aber nach der Erleichterung kam eine kleine Enttäuschung. Schnell nahm sie noch ein paar Bissen von ihrem Essen.
Dann fasste sie sich und sah Paul an. Der aß in aller Seelenruhe. Sie betrachtete seine verstrubbelten Haare, er hatte tatsächlich einen Stift hinter dem Ohr klemmen, seine
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