Aethermagie
bemerkte, dass Katalin eine heftige Bewegung machte, als wollte sie ihre Tochter aufhalten, aber Kato hatte schon die Hand des Engels ergriffen und war ihm gefolgt.
Wieder stand sie inmitten der idyllischen Landschaft, aber dieses Mal war ihr nicht kalt, sondern sie genoss die sanfte Wärme, die von einer Sonne ausging, die am Himmel nicht zu sehen war. Kato drehte sich um die eigene Achse, betrachtete all das Leben um sich herum und lachte. »Wie schön es hier ist«, sagte sie. »Wie schön und voller Frieden!«
Der Engel lächelte, aber sein Blick blieb ernst. »Nicht überall ist es so friedlich wie hier«, erwiderte er. »Dies ist das Tal der Jungen. Wir schützen es gegen alle bösen Einflüsse.« Er drehte den Kopf, sah sich suchend um.
Kato tat es ihm gleich und sah, wie vier kleine Gestalten sich auf sie zubewegten, so zielstrebig, als wäre sie ein Leuchtfeuer. Wenige Augenblicke später waren die Elementare bei ihr, um sie, über ihr und redeten und lachten alle durcheinander. Kato lachte mit ihnen und erst nach einigen Sekunden bemerkte sie, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. »Ich lasse euch nicht wieder gehen«, sagte sie zu ihrer eigenen Überraschung. »Wir sind eins.«
»Wir sind vier«, erwiderte Falla glucksend, und die anderen wiederholten es leise.
Belpharion beugte sich zu der Gnomin und fragte: »Gibt es eine frische Diskrepanz hier in der Umgebung?«
Gnurr runzelte die Stirn, ihre Knollennase zuckte. Sie blickte zu Dirbadisalabadon auf und dann zu Calander, und die vier Elementare nickten sich zu. »Eine frische Diskrepanz«, wiederholte die Gnomin bestätigend. »Dort hinten am Fluss.«
Belpharion bedankte sich und winkte Kato, ihm zu folgen.
Der Fluss strömte wie ein Band aus flüssigem Metall durch die sanfte Hügellandschaft. An seinem Ufer wiegten sich Bäume und hohes Schilf und auf einem flachen, bemoosten Stein im Schatten eines Baumes saß ein Mensch und blickte ins Wasser.
Oder, besser gesagt: etwas, das aussah wie ein Mensch. Kato starrte das Wesen mit fasziniertem Abscheu an. Es hatte menschliche Form, einen menschenähnlichen Umriss, aber statt menschlicher Züge, Kleidung, Gliedmaßen zeigte das Wesen nur eine amorphe Masse von augenverrenkenden Erscheinungen, die sich blitzschnell veränderten. Ansichten von Pflanzen, Steinen, dem Erdboden und dem Himmel, wimmelnde Insekten und blitzende Fische, eine Unzahl von starrenden Augen und aufgerissenen Mäulern, dann wieder roter aufgerissener Lehmboden oder spiegelndes Wasser … Kato wurde schwindelig von diesem Anblick und sie wandte die Augen ab. »Was ist das?«, fragte sie den Engel.
Belpharion umrundete schweigend die Gestalt und blieb vor ihr stehen. Sein Blick fuhr über die verwirrenden Muster und blieb an etwas hängen. »Schau«, sagte er leise.
Das Wesen saß still und starr da, aber eins seiner Glieder bewegte sich unruhig und ohne Pause. Kato erkannte mit Grausen, dass es eine Frauenhand war – sie war vollkommen menschlich, mit gepflegten, kurz geschnittenen Nägeln und einem schmalen Ring. Die Finger öffneten und schlossen sich, strichen durch das Schilfgras, berührten den Stein und das Moos darauf, streckten sich und tauchten in das fließende Wasser, hoben sich empor, berührten die Blätter des Baumes – ohne Unterlass, ohne innezuhalten, wie ein eigenständig lebendes Wesen.
Kato ging vor der Gestalt in die Knie und berührte die Hand vorsichtig mit den Fingerspitzen. Die Haut war warm und glatt und fühlte sich vollkommen normal an. Kato hob den Kopf. »Das ist die Hand meiner Mutter«, sagte sie.
Die Finger verharrten still unter ihrer Berührung, dann drehte sich die Hand und umschloss Katos Finger mit festem Griff.
»Ja«, bestätigte der Leukos. »Sie steckt in der Diskrepanz. Ich weiß nicht, wie ein Mensch das verkraftet. Es wäre gut, wenn wir sie daraus befreien könnten. Schau!« Er deutete auf die Stelle, an der die Hand in die amorphe Struktur des Körpers überging, und Kato sah, wie ein kleines Stück des Handgelenks, das vorher nicht sichtbar gewesen war, sich nach und nach aus der wilden Vielfalt der Darstellungen herausbildete und zu solidem Fleisch verfestigte.
»Es schreitet voran?«, fragte Kato.
»Ich hatte so etwas befürchtet.« Belpharion sah außergewöhnlich besorgt aus.
»Wenn es so weitergeht – wird sie irgendwann ganz und gar hier sein?«
»Ja. Und hier kann sie nicht leben. Sie ist ein Mensch, keine Leuka.«
»Aber ich bin auch ein Mensch.« Kato
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