Affaere in Washington
augenblicklich gar nichts lag. Durfte ein Senator überhaupt kein Privatleben haben? Aber Alan MacGregor war immerhin Diplomat genug, sich seine Gedanken nicht anmerken zu lassen. Er schaute wie unabsichtlich in Shelbys Richtung. »Ich glaubte, hier langsam jeden zu kennen. Aber Sie müssen mir helfen – wer ist die junge Frau dort drüben, die ein Mittelding zu sein scheint zwischen Prinzessin und Landfräulein?«
»Wen meinen Sie?« Writes Neugier war erwacht, und er folgte Alans Blick mit den Augen. »Oh, nun sagen Sie nur nicht, dass Sie Shelby noch nicht kennen!« Er lachte, die Beschreibung gefiel ihm. »Soll ich Sie vorstellen?«
»Danke, nicht nötig. Ich werde mich mal heranpirschen.« Alan schlenderte durch die Reihen der Gäste. Er plauderte hier und lachte dort, hielt sich aber nirgendwo länger auf. In dieser Beziehung hatte er viel Ähnlichkeit mit Shelby, denn es gelang ihm mühelos, das rechte Wort zum richtigen Zeitpunkt zu finden. Seine Freundlichkeit war ungekünstelt, und für Gesichter besaß er ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Bei einem Mann, dessen Karriere ebenso sehr von der Gunst des Publikums abhängig war wie vom eigenen Können, waren diese Fähigkeiten eine grundlegende Voraussetzung. Alan verstand sein Handwerk.
Nach gründlichem Studium der Rechtswissenschaften war er auf allen juristischen Gebieten bewandert. Sein Bruder Caine hatte sich mit der gleichen Ausbildung für den Anwaltsberuf entschieden. Aber Alan war damit nicht zufrieden, er wollte mehr erreichen. Ihn faszinierte die Gesetzgebung in Theorie und Anwendung und die entsprechende verfassungsmäßige Nutzung für das Wohl des Volkes. Deshalb hatte er die politische Laufbahn eingeschlagen, und sein bisheriger Weg führte steil bergauf. Mit fünfunddreißig Jahren bereits Senator zu sein war sehr zufriedenstellend. Und eine viel versprechende Zukunft mit fast unbegrenzten Möglichkeiten lag in Griffnähe vor ihm.
»Sind Sie allein, Alan?« Myra Ditmeyer, die Frau eines der obersten Richter, legte ihre Hand auf seinen Arm, als er vorüberging.
Alan blieb stehen und küsste mit dem Vorrecht eines alten Freundes ihre Wange. »Soll das ein Angebot sein?«
Myra lachte schallend. »Wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre, würde ich Sie beim Wort nehmen, Sie schottischer Herzensbrecher.« Mit klugen, freundlichen Augen strahlte sie den jüngeren Mann an. »Warum hängt heute Abend keines dieser bemalten, nichtssagenden Mädchen an Ihrem Arm?«
»Weil ich hoffte, Sie zu einem Wochenendausflug nach Puerto Vallerta überreden zu können.«
Myra tippte mit ihrem langen, rot gelackten Fingernagel nachdrücklich auf Alans weiße Hemdbrust. »Sie meinen wohl, es sei kein Risiko, mit einer alten Frau derartige Scherze zu treiben, was? Aber leider haben Sie damit recht.« Gut gelaunt seufzte sie und fuhr fort: »Warten Sie nur ab. Man müsste eine ganz gefährliche Person auf Sie ansetzen. Ein Mann in Ihren Jahren und noch allein – ich werde mir darüber Gedanken machen.« Sie zog die Augenbrauen hoch und meinte neckend: »Die Amerikaner mögen es lieber, wenn ihre Präsidenten ordentlich verheiratet sind, mein lieber Alan.«
»Das sagt mein Vater auch immer.« Mit gespieltem Ernst ging er auf ihren Ton ein.
»Dieser alte Pirat!« Die Unterhaltung amüsierte sie aufs Äußerste. »Manchmal hat er nicht unrecht, Sie täten gut daran, hin und wieder auf ihn zu hören. Zu einem erfolgreichen Politiker gehört die richtige Partnerin.«
»Sie raten mir demnach, nur meiner Karriere zuliebe vor den Traualtar zu treten?«
»Versuchen Sie nicht, mich auf den Arm zu nehmen, mein Junge.« Myra bemerkte, dass Alans Blick in eine bestimmte Richtung gelenkt wurde, aus der ein dunkles, wohlbekanntes Lachen ertönte.
Hoppla! dachte sie und wurde sofort aufmerksam. Wäre das wohl eine interessante Zusammenstellung? Der Fuchs und der Schmetterling!
»Ich gebe nächste Woche ein Abendessen«, sagte sie und erwähnte natürlich nicht, dass diese Idee ihr soeben erst gekommen war. »Nur ein paar Freunde kommen. Meine Sekretärin ruft Ihr Büro an und gibt alles Nähere durch.« Sie tätschelte Alan mit ihrer reich beringten Hand die Wange und entfernte sich, um einen günstigen Platz zu suchen, von dem aus sich die weitere Entwicklung des Abends gut beobachten ließ.
Alan sah, dass Shelby sich von den Gästen abwandte, mit denen sie eben noch gesprochen hatte. Sofort bewegte er sich in ihre Richtung. Das Erste, was er bemerkte, als er in ihre Nähe
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