AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
Frauen bei wohlhabenden Familien in Wittenberg unter. Katharina von Bora fand als Magd bei dem berühmten Maler Lucas Cranach dem Älteren und seiner Frau Barbara Unterschlupf. Sie blieb dem Paar zeitlebens dankbar. Cranach malt auch die bekannten Porträts von Martin Luther und Katharina von Bora. Während ihre ehemaligen Mitschwestern nach und nach heiraten, bleibt Katharina vorerst allein. Wohl ist sie auch nicht die Hübscheste der potenziellen Heiratskandidatinnen. Ihr werden schräg stehende, schmale Augen und hohe Wangenknochen zugeschrieben. Doch spielt wohl eher das Schicksal als die Schönheit eine Rolle bei der längeren Ehelosigkeit der Katharina von Bora: Sie verliebt sich in den Nürnberger Patriziersohn Hieronymus Baumgartner, doch dessen Vater verhindert die Ehe mit einer entsprungenen Nonne. Katharina wird als „Mönchshure“ verleumdet.
Martin Luther beginnt sich Sorgen um die Zukunft seines Schützlings zu machen und schlägt Pfarrer Glatz in Orlamünde als Ehemann vor. Doch die mittlerweile 26-jährige Katharina ist störrisch: Nein, sie denke nicht daran, einen Pfarrer zu ehelichen. Nur Nikolaus von Amsdorf oder aber der Reformator höchstpersönlich käme in Betracht, formuliert Katharina nicht unbescheiden. Damit hat sie dem 42-jährigen Martin Luther einen Heiratsantrag gemacht.
Eine mutige Entscheidung. An der Seite des Reformators kann die entflohene Nonne kein ruhiges, beschauliches Leben erwarten. Seit dem Anschlag seiner 95 Thesen an der Wittenberger Schlosskirche im Jahr 1517 hat sich der streitbare Ex-Mönch nicht nur die Bewunderung, sondern auch den Unwillen vieler (mächtiger) Menschen zugezogen. Am 17. April 1521 gibt ihm Kaiser Karl V., der vom Papst gekrönt worden war, eine letzte „Chance“: Der ehemalige Augustinermönch soll auf dem Reichstag zu Worms vor den versammelten Reichsständen und Fürsten seine riskanten Lehren widerrufen. Luther erbittet Bedenkzeit – und bleibt standhaft: „[Da] … mein Gewissen in den Worten Gottes gefangen ist, ich kann und will nichts widerrufen, weil es gefährlich und unmöglich ist, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen.“
Luther weiß, dass ihn diese Antwort das Leben kosten kann. Er hat Glück. Zwar verhängt der Kaiser nun die Reichsacht über ihn, aber er hält sein Versprechen und gewährt dem Ketzer freies Geleit. Luther kann gehen. Doch von nun an sind seine Wege gefährlich: Er ist „vogelfrei“, jedermann kann ihn straflos angreifen oder töten.
Katharina von Bora, die ihre Mädchenjahre in der Abgeschlossenheit und Ruhe eines Klosters verbracht hatte, möchte also einen Geächteten heiraten. Eine ungewöhnliche Entscheidung, doch die Frau, die ihre „Verlobung“ mit Jesus Christus aufgelöst hat, scheint auf Sicherheit und Konventionen keinen großen Wert gelegt zu haben.
Dem Reformator kommt das Interesse der 16 Jahre jüngeren Frau nicht ungelegen. Er, der die Ehe in seinen Predigten als etwas „Gottgewolltes“ bezeichnet, sollte mit gutem Beispiel vorangehen und heiraten. Eigentlich hätte die Wahl auf die schöne Ave von Schönfeldt fallen sollen. Doch er lässt sich Zeit, und schließlich ist die ehemalige Mitschwester von Katharina schon vergeben.
Die Trauung von Martin Luther und Katharina von Bora findet am Abend des 13. Juni 1526 im Kreis einiger Freunde statt. Erst zwei Wochen später lädt das junge Paar zum Hochzeitsmahl. Mit dabei sind auch die Eltern des Reformators. Es ist eine Geste der Versöhnung: Vater Hans Luther war von der Entscheidung seines Sohnes Martin, 1505 ins Kloster zu gehen, entsetzt. Er sah seinen Sohn als erfolgreichen Juristen und Familienvater, nicht als bettelarmen Mönch. Insofern war der alte Herr Luther von einem Gerücht, das Erasmus von Rotterdam in Umlauf brachte, durchaus erfreut. Der berühmte Freund Luthers verbreitete in Briefen, dass die Braut schon in wenigen Wochen ein Kind erwarte. Eine Erfindung: Das erste Kind der Luthers erblickte elf Monate nach der Hochzeit das Licht der Welt.
Der ehemalige Mönch hat die Geburten seiner insgesamt sechs Kinder vermutlich in „Hörnähe“ miterlebt. Er soll sehr um seine Frau besorgt gewesen sein. Theorie und Praxis sind eben nicht dasselbe. Wenige Jahre zuvor hat der jetzige Ehemann und Vater in seinen damals noch theoretischen Abhandlungen „Vom ehelichen Leben“ geäußert: „Darum soll man die Weiber in Kindesnöten vermahnen, dass sie ihren möglichen Fleiß allda beweisen, das ist, ihre höchste
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