AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
stürmen das Kloster S. Marco, verhaften den Prior und stellen ihn vor Gericht. Unter schwerer Folter gesteht der Prediger, widerruft, gesteht neuerlich: „Er sei nicht direkt von Gott gesandt worden und habe die Florentiner getäuscht.“ Der Bußprediger wird auf der Piazza della Signoria gehenkt, seine Leiche verbrannt und die Asche in den Arno gestreut. Nichts soll an die historische Episode einer demokratischen Mönchsrepublik erinnern. Alexander ist nicht nur kein Freund aufmüpfiger Prediger, auch selbstbestimmte Damen in seiner Nähe schätzt er wenig.
„La Bella“ Giulia versucht, den Umarmungen des alten Kirchenfürsten zu entfliehen. Sie will zu ihrem Ehemann zurückkehren. Doch der Papst lässt seine „Braut Christi“ nicht entkommen. Brieflich bedroht er sie: „Undankbare und falsche Giulia! Obwohl Wir deine Seele für schlecht erachteten, konnten Wir doch nicht glauben, dass du mit so viel Niedertracht und Undankbarkeit handeln würdest, während du Uns nur allzu häufig versichert und geschworen hast, dich Uns treu anzuvertrauen und dich von Orsini fernzuhalten.“ Mehr als solche Vorhaltungen wirkte offenbar ein Besuch Cesare Borgias beim Ehemann. Der Kirchenfürst dürfte so eindrücklich gedroht haben, dass Orsini auf die Angetraute verzichtet. Das Problem löst sich rasch. Orsini kommt bei einem Deckeneinsturz ums Leben. Das Verhältnis zwischen Alexander und Giulia wird ein volles Jahrzehnt dauern.
Immerhin überlebt „La Bella“ ihren Liebhaber. Papst Alexander VI. und sein Sohn Cesare Borgia speisen im August 1503 bei Kardinal Adriano da Corneto in Rom. Tage nach dem opulenten Mahl beginnen die Borgias zu fiebern und zu erbrechen. Alexander VI. stirbt, sein Sohn überlebt. Der Leichnam soll sich rasch dunkel verfärbt haben und unnatürlich aufgequollen sein. Das Gerücht vom Giftmord macht die Runde. Wahrscheinlicher scheint, dass der Pontifex an Malaria starb und die rasche Verwesung eine Folge der sommerlichen Hitze in Rom war. Ob Giulia getrauert hat? Die Spuren ihres Lebens verwehen in der Geschichte. Ihr beträchtliches Vermögen vererbt sie Laura, der gemeinsamen Tochter mit dem Papst. Ihr Bruder Alessandro, der Giulia ohnehin seinen gesellschaftlichen Aufstieg verdankt, geht leer aus, beinahe. Denn in einem Legat vermacht Giulia dem Bruder ihr Bett. Ein derber Scherz? Böse Zungen spötteln über diese nicht gerade taktvolle Erinnerung, wem Alessandro seine Karriere verdankt und wodurch sie befördert wurde.
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Volker Reinhardt, Der unheimliche Papst. Alexander VI. Borgia 1431–1503, München 2005.
Joachim Maier, in: Chronik des Christentums, Gütersloh 1997.
http://www.focus.de/politik/ausland/tid-14485/berlusconis-entgleisungen-papst-alexander-vi--ein-kirchenfuerst-und-die-braut-christi_aid_405580.html
http://www.geschichtsforum.de/f82/der-buchdruck-und-die-kirche-bulle-von-papst-alexander-vi-37644/
http://www.kaiserin.de/lucrezia-borgia.php
http://terra-x.zdf.de/ZDFde/inhalt/16/0,1872,4296592,00.html
Martin Luther und Katharina von Bora
Der Mönch und die entlaufene Nonne
Nächtliche Stille liegt über dem Kloster. Ein Schatten huscht durch die Dunkelheit. Kurz darauf ein zweiter, ein dritter – bis schließlich zwölf schwarz gekleidete Frauen die Grenze des Klostergrundes erreicht haben. Ein letztes Zögern. Sollen sie es wirklich wagen? Die jungen Nonnen haben Ungeheuerliches vor: Sie wollen ihr Gelübde brechen und ins nahe Torgau fliehen. Die Ideen eines Mönchs haben den Weg hinter die dicken Klostermauern gefunden und Unruhe in den Köpfen der Bräute Christi gestiftet. Katharina von Bora ist eine der Angesteckten: Sie will frei sein; frei, so weit eine junge Frau das zu jener Zeit sein kann.
Es ist die Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag, vom 6. auf den 7. April 1523. Ostern, die Zeit der Hoffnung. Auch die 24-jährige Katharina ist voller Hoffnung. Sie möchte heiraten und Kinder haben. In Luthers Schriften heißt es, das sei die eigentliche Bestimmung der Frau – nicht das abgeschiedene Klosterleben: beten, arbeiten und gehorchen. Bruder Martin wusste, wovon er schrieb. Er erlebte Tag für Tag, dass viele seiner Klosterbrüder hinter den Mauern der Stifte und Abteien keineswegs auf der Suche nach Spiritualität und intensivem Glauben waren, sondern ein beschauliches Leben in materieller Sicherheit genossen. Luther hinterfragte, warum Mönche und Nonnen, die ein Gelübde abgelegt hatten, sich aber selten daran hielten, eine höhere Stufe der
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