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AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN

AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN

Titel: AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Jelinek
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und kindlich, um mir zu gefallen. Er war nicht länger Konsul, er war ein verliebter Mann, seine Liebe war nie grob oder gewalttätig.“
    George sinkt schließlich in Napoleons Arme. Wieder hat der General einen Sieg erkämpft. Mademoiselle George bleibt die ganze Nacht. Das einzige Kleidungsstück, das sie dabei anbehält, sind ihre Seidenstrümpfe.
    Die Rivalität zwischen Joséphine Bonaparte und der Geliebten überträgt sich auf das Pariser Theaterleben. Auf der Bühne, vor allem aber im Zuschauerraum und den Logen, wird ein Duell zwischen Mademoiselle George und ihrer Rivalin Catherine Joséphine Duchesnois inszeniert. Die beiden Damen – Catherine ist ein paar Jahre älter und schon ein paar Jahre früher im Bett des Herrn Bonaparte gelandet – wetteifern nicht nur in der Schauspielkunst. Das Pariser Publikum wird in zwei Lager gespalten: die Fans von George und die Claque der Duchesnois. In ihren Memoiren beschreibt die Jungschauspielerin ihr Debüt vor den Augen der Pariser Hautevolee: „Mein Auftritt wurde mit großem Wohlwollen aufgenommen. Ich hatte das Glück, schon in meiner ersten Szene einen großen Erfolg zu landen. Ich hatte kaum Lampenfieber und trotzdem, das Theater war ausverkauft, der Erste Konsul saß in seiner Loge, begleitet von der reizenden Joséphine. Im Parkett saß die gesamte Pariser Gesellschaft. Alle waren da. Mein Bruder und meine Schwester hatten Orchestersitze ergattert und alte Handschuhe meiner Mutter mitgenommen, um beim Applaus möglichst großen Lärm zu machen.“
    George war vor der Premiere gewarnt worden, Anhänger ihrer doppelten Rivalin Duchesnois würden Störaktionen planen. Tatsächlich wird ihr Auftritt im vierten Akt durch Schreie aus dem Publikum unterbrochen. Sie möge ihre Deklamation wiederholen. Die Störer versuchen die Jungschauspielerin aus dem Konzept zu bringen. Ein zweites, ein drittes Mal wird sie unterbrochen. Erst der Applaus aus der Loge des Ersten Konsuls lässt die Stimmung kippen. Napoleon hat geurteilt. Das Stück wird zum Triumph für Mademoiselle George.
    Die Ehekrise im Haus Napoleon wird auf und vor der Bühne als Stellvertreterkrieg der beiden Favoritinnen ausgetragen. In der Pariser Gesellschaft bilden sich zwei Lager, die Georgiens, der Fanklub von „Georgina“, und die Anhänger Duchesnois’, die sich Circassiens nennen. Im bösen Spott wird daraus die Verballhornung Carcassiens (Hühnergerippe), eine eher unfeine Anspielung auf die fehlenden Körperrundungen der Duchesnois. Der Ehemann protegiert seine neue Geliebte George, Joséphine Bonaparte schlägt sich auf die Seite der abgelegten Liebhaberin und wirbt für Duchesnois. Die Spannungen am ersten Theater in Paris werden so groß, dass der Kulturminister einschreiten muss. Beide Damen erhalten die Höchstgage, beide dürfen in Hauptrollen brillieren. Nach der Vorstellung empfängt George ihren größten Fan: Napoleon.
    Die Affäre dauert gute zwei Jahre. „Wie hat Napoleon Sie verlassen?“, wurde sie vom großen Dichter Alexandre Dumas gefragt. „Er hat mich verlassen, um sich zum Kaiser zu machen“, antwortet diese.
    Napoleon gelingen quer durch Europa neue Eroberungen. George leidet wenig. Sie hat sich die guten Dienste am „Herren der Welt“ fürstlich entlohnen lassen und dabei nicht einmal Exklusivrechte geboten. Denn die begabte Schauspielerin unterhält mehrere Geliebte, alle vermögend und großzügig. Der polnische Fürst Sapieha etwa, dessen Kleiderspenden Napoleon so theatralisch zerstört hat, stammt aus einem alten litauischen Geschlecht, seine Familie besitzt ungeheuren Grundbesitz in Polen und Geld, das er in Paris freizügig ausgeben kann. Das ist die Bedingung. Geld ist für das Fräulein George wie Chips im Kasino. Es wird leicht verdient und leichtsinnig ausgegeben – nichts Ernstes.
    Ihre Schönheit, die sich auf den überlieferten Bildern nicht ganz erschließt, hat zeit ihres Lebens ihre Schauspielfähigkeiten überstrahlt. Dabei wird sie 60 Jahre lang Rollen spielen. Zwischen Theater und Leben unterscheidet sie nicht, alles fließt zusammen. Für Ehe, Kinder und Familie bleibt George keine Zeit. Mit dem Tänzer Louis-Antoine Duport reist sie quer durch Europa – nach Sankt Petersburg und nach Wien. Ihren Geliebten verliert sie an die kaiserliche Donaumetropole. Der Tänzer wird Ballettmeister am k. k. Hoftheater und übernimmt später die Direktion dieses Hauses am Wiener Michaelerplatz. George bewahrt ihre Unabhängigkeit, sie tritt in zahlreichen

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