AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
ganzen Land sei, bleibt somit unentschieden. Heinrich Heine schrieb in seinen Lobgesängen auf König Ludwig über dessen Schönheitengalerie nicht ganz schmeichelhaft: „Er liebt die Kunst, und die schönsten Fraun, Die lässt er porträtieren; Er geht in diesem gemalten Serail, Als Kunsteunuch spazieren.“
Eine 25-jährige dunkelhaarige Schöne, Elizabeth Rosanna Gilbert, erhält binnen weniger Tage die Ehre, vom König auserwählt und für die Galerie in Öl verewigt zu werden. In seinen privaten Zimmern hatte Ludwig I. eine „Kopie von dem aus der Schönheitengalerie“.
Die Dame ist eine „Zuagroaste“, nach zwei durchaus turbulenten Jahren in der Pariser „Demi Monde“, weniger vornehm würde man „Halbwelt“ sagen, muss Frau Gilbert die französische Hauptstadt verlassen. Der Boden war ihr zu heiß geworden. Sie hatte nicht wenigen Männern den Kopf verdreht, sich als Geliebte verdingt, Ordnungswidrigkeiten begangen, Beamte mit der Reitpeitsche gezüchtigt und sich auch sonst wenig damenhaft benommen. Aber sie kann zahlreiche Referenzen als Geliebte bedeutender Männer vorweisen. Franz Liszt, den sie bei einem Konzert in Dessau kennengelernt hat, wird für wenige Wochen ihr Liebhaber und verfasst für sie ein Empfehlungsschreiben, das ihr die Türen zur Königlichen Musikakademie öffnet. Dort darf sie nach der Aufführung des „Freischütz“ tanzen. Deutlich größeren künstlerischen Erfolg verschaffen kann ihr Alexandre Henri Dujarier. Der Kulturredakteur der Zeitung „La Presse“ öffnet seiner Geliebten Türen im Pariser Kulturbetrieb und schreibt begeisterte Rezensionen. Doch Lola Montez wird dem Starjournalisten kein Glück bringen. Ihretwegen duelliert sich Dujarier und wird dabei getötet. Der Geliebte und Förderer verschieden, das Engagement beendet, Lola Montez flieht aus Paris.
In der bayerischen Metropole kommt sie ohne Ausweispapiere an. Sie hätte sie ohnehin fälschen müssen. Denn die in Irland geborene Elizabeth nennt sich Señora Maria de los Dolores Porrys y Montez oder kurz Lola Montez. Sie hat ihre aristokratische Vita frank und frei erfunden. Für ihren angelernten Beruf einer Tänzerin dünkt ihr das spanische Flair vorteilhafter. Ihre neue Identität passt durchaus zum eher dunklen Typus, den die Dame vertritt. Und als geübte Hochstaplerin steigt sie im ersten Haus am Platz ab: dem „Bayerischen Hof“ am Promenadenplatz im Herzen Münchens.
Montez bleibt nicht untätig. Schon wenige Tage nach ihrer Ankunft begibt sie sich zum Intendanten der Hofbühne, Baron Frays, und bewirbt sich um ein Engagement als Tänzerin. Der Herr Hofbühnen-Direktor lässt die unzweifelhaft hübsche Spanierin erst einmal abblitzen. Ihre Referenzen scheinen zwar augenfällig, aber künstlerisch nicht so eindrucksvoll gewesen zu sein. Ihre Gagenforderungen sind ziemlich unbescheiden, sie fordert schlicht die Hälfte der Netto-Einnahmen. Als Tänzerin ist Lola Montez Autodidaktin. Ihre Ausbildung beschränkt sich auf vier Monate Tanzunterricht und einige Wochen Aufenthalt in Südspanien. In London durfte sie bei einer Aufführung der Oper „Der Barbier von Sevilla“ zwischen den Akten auftreten – als Pausenfüller.
Immerhin reicht es über Vermittlung eines notorischen bayerischen Playboys, den sie aus Paris kennt, für eine Blitzaudienz beim König. Dem 60-Jährigen genügt ein Blick, er fühlt sich von neuer Manneskraft durchströmt. Lola hatte zur Audienz ein enges schwarzes Samtkleid angezogen, das ihre „vollkommene Figur“ noch deutlich betonte. Und der König und seine Besucherin sprachen spanisch, Deutsch konnte Frau Montez ja nicht. Schon Tage nach diesem Besuch beginnt die Legendenbildung. Bruce Seymour beschreibt in ihrer Biografie die entscheidende Szene. Ludwig deutete fragend auf Lolas wohlgeformten Busen und fragte: „Natur oder Kunst?“ Lola soll statt einer Antwort zur Tat geschritten sein. Sie nimmt vom Schreibtisch des Königs eine Schere und schneidet ihr Kleid zwischen den Brüsten auf. Was dabei sichtlich ins Auge des Monarchen springt, entzückt den König. Wahr oder Erfindung? Wahrscheinlich hat Lola Montez, die ja eine notorische Schwindlerin ist, diese Geschichte nachträglich erfunden, sie rühmt sich dieses Scherenschnitts und entzückt Jahre später ihr zahlendes Publikum auf Vortragsreisen mit der Anekdote. Wahr ist: Lola Montez überzeugt den König, sie darf im Hof- und Nationaltheater ein Gastspiel geben. Sie wird unverzüglich auserkoren, für die
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