Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)
die Luftangriffe verstärkt würden.“
„Noch sind wir im Vorteil, gnädige Frau“, sagte der Colonel lächelnd. „Rund um die Uhr wird das gesamte Territorium des ehemaligen Jugoslawien aus dem Weltall beobachtet und fotografiert. Nicht zu vergessen die AWACS-Aufklärer mit euren Jungs in Trapani. Wir kennen selbst die geringste Veränderung auf der Erde. Die Serben sind isoliert, glauben Sie mir.“
„Wissen Sie“, sagte Kamensiek, „ich frage mich manchmal, ob wir unseren Zweck erreichen. Wir bekämpfen die Serben und die Muslimanen berichten von Gräueltaten eben dieser Serben in weit übertriebenen Darstellungen, die sich später als wenig evident erweisen.“
„Jedes der hier begangenen Kriegsgräuel“, räumte Anica ein, „kennen wir aus der Entwicklungsgeschichte derjenigen Nationalstaaten, die heute als Krone der zivilen Weltgesellschaft den Kern des UNO-Sicherheitsrates bilden.“
„Vom Winde verweht“, sagte Mrs. Sparks und blies mit abschätziger Gebärde über ihren flachen Handteller. „Sie nun wieder! Wo doch gerade Deutschland wieder aktuell nach Großmachtlorbeeren strebt, nicht nur in den UN. Der deutsche Nationalismus einer zu spät gekommenen Industriegesellschaft mit seinen Abscheulichkeiten von historischer Einzigartigkeit feiert momentan fröhliche Urständ!“
„Unsere Aktivitäten sind deswegen ja auch vorwiegend psychologisch gezielt“, trug der Colonel vor. „Sie sollen sich ihre Industrie zerschlagen, das Verkehrswesen, überhaupt ihre gesamte Infrastruktur. Das Resultat ist Hunger, Angst und schließlich Missstimmung gegen ihre jeweiligen Führungen. Dann kommt unser Augenblick, in dem für uns die Früchte zu reifen beginnen.“
„Ja, schau´n wir mal“, meinte die Kamensiek. „Ich halte die Konzeption für so unklug nicht. Es ist ein konventioneller Erbstreit zwischen künftigen politischen und wirtschaftlichen Eliten, in dem jedes Mitglied der Erbengemeinschaft sich ein wohlbemessenes Stück aus dem Sezessionskuchen herausschneiden will. Verständlicherweise.“
„So ähnlich hätte auch Franz Josef argumentiert“, sagte Anica. „Ich meine den verstorbenen...“
„Kaiserschmarrn“, warf die Kamensiek dazwischen. „Die Führer der Elitestaaten haben den Weg in die neue Zeit gewiesen, ein Land wie Bosnien braucht nur noch zu folgen und...“
„Vergessen Sie Ihre Rede nicht“, schnitt ihr die Journalistin das Wort ab. „Ich möchte Ihnen jetzt erzählen, was ich in den letzten Stunden erlebt habe. Von Folterungen angefangen, über Erschießungen bis zu Lynchmorden ist alles dabei.“
Man hörte ihr nur widerstrebend und auch gelangweilt zu.
„Das sind doch innere Angelegenheiten des Staates Bosnien-Herzegowina“, kommentierte Mrs. Sparks.
„Da wollen wir uns nicht einmischen“, ergänzte die Kamensiek mit erhobenem Zeigefinger. „Keine der Schutzmächte.“
„Ich glaube, es wird Zeit“, verkündete Mr. Sparks unvermittelt mit Blick über leere Gläser, leitete so den allgemeinen Aufbruch ein. „Übrigens, was die Sache um die Region um Srebrenica angeht, da sind noch gewisse Auswertungen abzuwarten. Aber ich denke an Sie, Mrs. Klingor.“ Er musste dabei an amerikanische Satellitenaufnahmen vom Frühjahr denken, auf denen serbische Vorbereitungen für den Angriff auf die geschützte Enklave Srebrenica klar zu erkennen gewesen waren. Was aber wohl nichts mit der aktuellen Situation zu tun haben musste.
Frau Kamensiek runzelte unwillkürlich die Stirn, weil auch sie seit dem März Kenntnis hatte von den Sattelitenaufnahmen der Amerikaner über den Raum Srebrenica, und zwar von dem UNO-Spitzenfunktionär und Bundeswehrgeneral a. D. Friedemann Hölzenbein, die dieser nicht auf dem offiziellen UNO-Dienstweg, aber mit eigenen Augen gesehen hatte. Hölzenbein hatte auch von Diskussionen berichtet über eine mögliche Verlegung eines dänischen Panzer-Bataillons nach Srebrenica, was speziell von der amerikanischen Botschafterin bei den UN Madeleine Albright strikt abgelehnt wurde.
„Und grüßen Sie Ihren Freund“, wünschte Kamensiek zum Abschied augenzwinkernd zu Anica. „Unbekannterweise. Ich will doch sehr hoffen, dass sich das bald ändert.“
„Nimm´s nicht tragisch“, flüsterte Burkhart Anica zum Abschied ins Ohr. Am Gespräch hatte er sich mit keinem Wort beteiligt, sondern versonnen die Knöchel seiner Hände geknetet.
Die Reporterin spürte verstärkte Traurigkeit. Und Sehnsucht gesellte sich dazu, Sehnsucht nach einem
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