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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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verständnisvollen Gedankenaustausch und körperlicher Geborgenheit, Sehnsucht nach ihrem Freund Dragan. Was macht er im Augenblick, fragte sie sich, wo befindet er sich? Wie viele Menschen gibt es hier, die überhaupt etwas wissen von ihren Angehörigen, sei es nun Angenehmes oder Leidiges? Er kommt oft überraschend, sagte sie sich, ich werde ihn bestimmt bald wiedersehen.
    So dachte sie, um sich zu beruhigen, bemüht, hart zu bleiben und nicht an andere, schrecklichere Möglichkeiten zu denken. Doch gleichzeitig lag Wehmut auf ihrem Gemüt, fast mütterliche Trauer, beinahe die gleiche, die sie empfand, wenn sie sich um ihre Kinder ängstigte. Und wenn sie schwach wurde und ihren Gefühlen freien Lauf ließ, kam ihr dieser Mann – ein großer, kräftiger, breitschultriger Hüne – kleiner vor als ein Kind. Der Himmel, den er beflog, und der Krieg, der ihn bedrohte, erschienen ihr dann unvorstellbar gewaltig, und sie fürchtete, dieses winzige Menschlein, ihr Geliebter, könnte in diesem Krieg verlorengegangen sein. Dass ihn aus dieser belastenden Ungewissheit plötzlich irgendein Faden mit ihr verbinden könnte, hielt sie in diesem Augenblick für höchst unwahrscheinlich. Doch unverhofft kommt oft, dachte sie bei sich und drehte Dragans Sanduhr in der Jackentasche; zweifle in der Hoffnung, hoffe im Zweifel. Das wäre auch Burkhart zu wünschen bei seiner morbiden Besorgnis um seine Frau Mary-Jo.

14 Der Portier des Gasthauses Murira
     
    Als Anica das Gasthaus von Frau Murira erreichte, fegte eine Kette weißlackierter Düsenjäger mit donnerndem Fauchen dicht über den Talkessel hinweg, zog steil hoch und verschwand in der glühenden Röte des knapp über dem Taleinschnitt stehenden Sonnenballs. Jaguare, dachte die Reporterin. Britische oder französische?
    Und was ist mit seinem Frachtflieger, grübelte sie neuerlich, mit den Gedanken wieder bei ihrem Freund. Melancholie bemächtigte sich ihrer wieder, als sie den über dem rötlich-grauen Himmel dahinfliegenden Maschinen der zweiten Kette nachblickte. Dieses Firmament wollte keine einzige ihrer Fragen beantworten, obwohl es scheinbar alles wusste: Wo er jetzt war, was er tat, was er dachte...
    Liebe..., sinnierte Anica plötzlich. Was ist eigentlich Liebe? Dass wir uns wohl fühlen, wenn wir beide zusammen sind, oder dass ich mich nach ihm sehne und nachts mitunter weine? Dass ich nur an ihn denke, keinen anderen sehen will? Oder dass ich Worte an ihn formuliere, aber nicht weiß, wie ich sie ihm übermitteln soll?
    Vielleicht ist das alles so, und trotzdem ist es wenig verglichen mit dem, was ich empfinde, was ich wünsche und was ich nicht ausdrücken kann. „Ich weiß es nicht...“, murmelte sie stimmlos vor sich hin, „ich weiß es einfach nicht...“
    Was wünsche ich mir denn am meisten, fragte sie sich wieder. Am dringendsten möchte ich... jetzt dort sein, wo Dragan ist. Doch wenn es dort furchtbar ist und ich in Gefahr gerate? Trotzdem möchte ich hin! Und wenn wir verwundet würden? Auch dann möchte ich hin; und dann sollen wir beide verwundet werden! Aber wenn wir umkommen? Ist doch einerlei, Hauptsache wir sterben gemeinsam. „Ich weiß es nicht...“, flüsterte sie noch einmal.
    Der greise Nachtportier öffnete Anica verschlafen die Tür. „Arbeit“, murmelte er, „immer nur Arbeit. Gute Aufnahmen gemacht, Gospodjice?“
    „Eine Explosion“, antwortete sie leise. „Im Umspannwerk an der Ausfallstraße nach Vojkovic. Und Lynchmorde.“
    Der Alte wog bekümmert den Kopf, der aussah, als wäre er ihm einmal abgeschlagen worden und dann wieder aufgesetzt, jedoch nicht an der ursprünglichen Stelle, sondern näher zu der linken und weiter weg von der rechten Schulter. Sein Schädel war kahl bis auf ein dichtes Haarbüschel, das aus der Stirn, dicht über der Nasenwurzel, emporwucherte. Die spitzen Wangenknochen waren unterschiedlich hoch, mit gräulichen Bartstoppeln, der Alte war spindeldürr, seine runzelige Haut erinnerte an Schrumpfleder. Seine starren Blicke gingen an der Frau vorüber, als gäbe es draußen auf der Straße etwas für ihn zu sehen. „Oft Detonationen, Fräulein“, raunte er mit erhobenem Zeigefinger, „und Tote, viel und oft...“
    Anica sah ihn an. „Die Soldaten haben einen Mann erschossen“, berichtete sie. „An der Miljacka. Sowie vier Menschen an Galgen aufgehängt. Dazu an die hundert Leute verhaftet. Lager Lapovo.“
    Der Gesichtsausdruck des Greises blieb unverändert. Als hätte ich von einem

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