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African Queen

African Queen

Titel: African Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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dabei sehen, sonst müssen sie sich sorgen, dass man sie später identifizieren könnte. Den Räubern von Nairobi soll man keine Gründe geben, warum es klüger wäre, dich zu ermorden, statt dich laufenzulassen. Die Frau hat geschrien. Sie haben sie sofort zum Schweigen gebracht. Womit? Er hat keinen Schuss gehört, also Messer oder Machete. Aber sie lebt, sie wimmert leise. Sie legen die schwerverletzte Inderin auf den Rücksitz seines Wagens, und er rast zum Aga-Khan-Krankenhaus. Er trägt sie in die Notaufnahme, er gibt sie ab, er kümmert sich darum, dass ihr Mann psychologisch betreut wird, und das war es dann, was er tun konnte. Heute findet er den roten Schuh in seinem Auto und fährt wieder zum Krankenhaus. Er will ihn der Inderin unbedingt zurückgeben, er glaubt, dass es sie freuen wird. Am Empfang wunderte man sich über sein Anliegen. Die Frau sei doch schon bei der Einlieferung tot gewesen. «Und jetzt», sagt der wie Paul Newman aussehende weiße Mann, «jetzt weiß ich einfach nicht, was ich mit dem Schuh machen soll. Ich weiß es wirklich nicht.»

21. NAIROBBERY
    A lbert Macumbale erblickte 1966 im Kakamega-Distrikt das Licht der Welt. Das ist nah an der Grenze zu Uganda. Da gibt es noch Regenwald und Respekt vor Traditionen. Ist ein Junge achtzehn Jahre alt, wird er in den Busch geschickt und muss dort allein einen Monat überleben. Schafft er das, kommt er als Krieger zurück, der für seinen Stamm kämpfen muss, wann immer es nötig wird. Wer darüber hinaus einen Mann getötet hat und dessen Kopf mit ins Dorf bringt, wird ein Anführer. Alberts Stamm kommt ursprünglich aus dem Kongo. Die dunkle Seite der Tradition ist der Kannibalismus zu rituellen Zwecken. Man könnte es auch Hardcore-Voodoo nennen. Ein Junge aus dem Nachbardorf wird gefangen, getötet und gegessen, damit die Ernte reichlich sein möge. Als Höhepunkt der Zeremonie benutzt der Älteste der Runde einen abgeschnittenen Unterarm des Opfers wie einen großen Löffel und rührt damit in einem Topf voll selbstgebrautem Bier. Stimmt das, Albert? Ja. Hast du es gesehen? Ja. Hast du mitgemacht? Natürlich nicht. Albert ist Christ. Sein Vater, ein ehemaliger Minensucher bei der Armee, hat ihn fromm erzogen.
    Albert lernte, Autos zu reparieren. Weil es in den regenwaldnahen Dörfern seiner Heimat deutlich weniger Autos als in Kenias Hauptstadt gab, nahm er im Alter von dreiundzwanzig Jahren einen Bus nach Nairobi. Er hatte Angst, denn am Ziel würde niemand zu ihm «willkommen» sagen. Er begann sein Leben ohne Vision und Hilfe. Die Fahrt kostete zweihundert Schilling und verschlang damit den Bärenanteil seines Startkapitals. Als Albert in Nairobi aus dem Bus in die Morgensonne trat, hatte er noch fünf Schilling in der Tasche. Die legte er folgendermaßen an: drei Schilling fürs Frühstück, zwei Schilling für den Stadtbus zum Kibera Slum.
    Sechzig Prozent der Einwohner von Nairobi leben in den rund zweihundert Slums der Stadt. Als Slum bezeichnet man Stadtteile ohne Infrastruktur. Kein fließend Wasser, kein Strom, keine Kanalisation, keine Straßen, keine Häuser. Nur ein Meer von Bretterbuden und Wellblechhütten. Weil niemand sanitäre Anlagen hat, erfand man die Lufttoilette. Man erleichtert sich in eine Plastiktüte und wirft sie über die Nachbarhütte. Und es wird viel getötet. In einigen Slums von Nairobi ist Mord die häufigste Todesursache, gefolgt von Aids. In anderen Slums hat Aids das Morden überholt. Die meisten morden mit der Machete, denn sie ist praktisch und billig. Das Universalwerkzeug der Armen taugt für die Gartenarbeit wie für den Überfall. Im Kibera Slum, zu dem Albert an diesem Morgen mit dem Kenya Bus No. 33 fuhr, leben zweihunderttausend Menschen, trotzdem fand Albert darin seinen Onkel. Ein Kräuterhändler, der von Alberts Ankunft nicht begeistert war. Seine Hütte schien mit ihm selbst, seinen zwei Söhnen und seiner Frau eigentlich schon voll zu sein. Der Onkel sagte, es gäbe zwei Möglichkeiten: Entweder esse Albert umsonst bei ihm, aber schlafe irgendwo anders. Oder umgekehrt. Albert entschied sich für umgekehrt. Nach einer Woche schmiss ihn sein Onkel raus, und Albert zog zu einem anderen Onkel.
    Alberts Jobsuche sah so aus: Er folgte anderen jungen Männern, die Jobs gefunden hatten, und er bekam einen bei einer britischen Firma als Automechaniker für zwölfhundert Kenia-Schilling im Monat. Ich muss es endlich mal sagen: Tausend Schilling sind acht Euro. Albert mietete sich eine eigene

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