African Queen
ersten Mal sah, sprach er von dem achten Weltwunder. Der Krater entstand, als ein Vulkanberg in sich zusammenbrach. Die Seitenwände sind bis zu sechshundert Meter hoch, der Durchmesser beträgt einundzwanzig Kilometer. Rund fünfundzwanzigtausend Tiere leben in ihm, und er hat die höchste Raubtierdichte Afrikas. Löwen bis zum Abwinken, Leoparden und Hyänen. Wer Bestien in Action sehen will, wird im Ngorongoro-Krater gut bedient. Außerdem habe ich noch einen sehr persönlichen Bezug zu dem Weltnaturerbe. Der Farmer Adolf Siedentopf siedelte mit seiner Frau Paula von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Ersten Weltkriegs in dem Krater. Beide waren Bielefelder. Ich komme ebenfalls aus Bielefeld. Rüdiger Nehberg übrigens auch. Irgendwas hat diese Stadt an sich, dass sie ihre Söhne so weit in die Welt hinaustreibt.
Die Fahrt zum Krater dauert rund zwei Stunden, und als wir ihn erreichen, steigt das Fieber wieder. Das versaut mir das Naturwunder-Erlebnis total. Ich sehe Löwen, die mich nicht mehr interessieren, ich sehe Flusspferde, die mir auf die Nerven gehen, ich sehe sogar eines der überaus seltenen Spitzmaulnashörner, und natürlich greift das Vieh auch sofort an. Im Gegensatz zum Elefantenangriff ist diese Attacke ein bisschen lustig, denn die Augen der Nashörner sitzen so weit seitlich am Kopf, dass sie nicht gut nach vorn sehen können. Sie erkennen nur, was links und rechts von ihnen ist. Deshalb stoppt das Tier den Angriff immer wieder ab und dreht sich zur Seite, um zu sehen, ob wir noch da sind. Dabei verläuft es sich. Freddy ärgert das Nashorn mit der Hupe, damit es nicht zu schnell aufgibt. Normalerweise würde mich das amüsieren, aber das Fieber frisst meinen Humor wie eine Delikatesse. Außerdem nimmt es mir die Hoffnung, dass es nur eine Bronchitis ist. Wenn achthundert Milligramm Antibiotika aus der Erlanger Plastiktüte nichts bewirken, sollte ich vielleicht mal zu einem richtigen Arzt gehen. Ich will nur noch ins Bett.
Am Ende des Tages erreichen wir die nächste Lodge. Sie gefällt mir besser als die erste. Sie hat ein großes Restaurant mit einem offenen Kamin in der Mitte. Ich setze mich direkt an eine der Kaminwände und drücke meinen Rücken in die Hitze. Trotzdem friere ich. Vor dem Einschlafen nehme ich noch eine von den Antibiotika, aber als der Morgen graut, fühlen sich meine Knochen an, als ob jemand mein Gerippe als Klavier benutzt, um darauf einen Evergreen in Dauerschleife zum Besten zu geben. «Spiel mir das Lied vom Tod». Allein diese Einschätzung der Lage reicht eigentlich, um eine Malaria zu diagnostizieren, denn alle, die mal eine hatten und mir davon berichteten, sagten dasselbe: «Du glaubst, du stirbst.» Aber meine Malariatabletten will ich noch immer nicht schlucken, denn beim Denguefieber glaubt man das Gleiche. Und für die braucht es andere Pillen. Man sollte sichergehen, bevor man die echten Bomben einwirft. Freddy schlägt vor, dass wir so schnell wie möglich das Reservat verlassen und nach Arusha fahren. Dort gibt es ein gutes Krankenhaus. Die Art, wie ich daraufhin zum Jeep schleiche, bewirkt bei ihm ein überaus besorgtes Gesicht. Lisa dagegen ist sich nicht sicher, ob ich übertreibe. Sie glaubt, dass Männer grundsätzlich wehleidig sind. Hätte ich die Kraft dazu, wäre ich jetzt sauer auf sie. Aber ich habe keine Energie für den Geschlechterkampf.
Einer der Nachteile einer schweren Krankheit besteht darin, dass dich die äußeren Paradiese nicht mehr erreichen. Einer ihrer Vorteile ist, dass für die äußeren Höllen dasselbe gilt. Kaum sind wir aus dem Reservat heraus und zurück in der Zivilisation, fahren wir durch Dörfer, in denen Männer auf beiden Seiten der Straße mit Knüppeln und Macheten stehen, dazwischen sind schwerbewaffnete Polizisten und Soldaten. Die Wahl ist gelaufen, aber man weiß noch nicht, wer gewonnen hat. Wir rollen an jeder Menge finsterer Gesichter vorbei, und wieder schaue ich mir das auf der Rückbank liegend wie eine Fernsehsendung an. Den Weltspiegel vielleicht. Und mehr geht mich das auch nicht an. Dafür ist Lisa emotional überinvolviert. Sie will unbedingt noch vor Anbruch der Dunkelheit in unserem Hotel in Moshi sein. Sie erinnert sich an Freddys Worte, dass die echten Probleme am Abend beginnen, wenn die Leute trinken. Mit einem Zwischenstopp im Krankenhaus von Arusha aber werden wir es nicht mehr schaffen, noch vor Sonnenuntergang zurück zu sein.
Die Malaria ist eine Krankheit, die in Wellen kommt, und
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