African Queen
Hütte. Wer vermietet diese Buden? Leute, denen sie nicht gehören. Jugendbanden dominieren das Maklergeschäft in den Slums von Nairobi. Die Hütte kostete sechzig Schilling pro Monat, und Albert renovierte sie erst einmal, so gut es ging. Weil er sie unmöbliert angemietet hatte, schlief er zunächst auf Kartons, die er am Arbeitsplatz abzweigte, dann kaufte er in vernünftigen Intervallen:
Ein Bett für hundertfünfzig Schilling.
Einen Tisch für achtzig Schilling.
Zwei Hocker à zwanzig Schilling.
Eine Decke für achtzig Schilling.
Nach drei Monaten verlor Albert seinen Job, weil die Firma umzog. Aber inzwischen hatte er Freunde, die eine Garage besaßen. Sie reparierten Autos und teilten sich das Geld. Das lief ganz gut, das Problem war, dass Albert täglich morgens zwei Stunden zu Fuß zur Arbeit unterwegs war und abends zwei Stunden zurück. Ein Jahr später nahm ihnen eine Wirtschaftskrise in Kenia alle Kunden weg. Es gibt die guten Jungs und die bösen Jungs. Die bösen Jungs, die so viel von Autos verstehen wie Albert und seine Freunde, wären spätestens jetzt in das blühende Geschäft des Carjackings eingestiegen. Die brutalste Form des Autodiebstahls. Das läuft im Prinzip wie bei dem bedauernswerten indischen Ehepaar, von dem mir der Mann mit dem roten Schuh im Aga-Khan-Krankenhaus erzählte. Sie rammen mit ihren Schrottkisten teure Limousinen von hinten oder von der Seite, den Rest besorgt die Feuerwaffe oder die Machete. Weil das täglich und überall in Nairobi passiert, bleibt kaum noch jemand stehen, wenn er in einen Unfall verwickelt wird. Kriminelle Energie ist kreativ und sucht nach immer neuen Wegen. Inzwischen schrauben die Autodiebe von parkenden Wagen das Nummernschild ab, und sobald der Besitzer losgefahren ist, winken sie damit, so, als habe er es verloren. Auch in diesem Fall ist Gasgeben nützlich, denn es fährt sich ohne Nummernschild immer noch besser als ohne Auto oder ohne Leben. Albert gehörte zu den Guten. Albert machte so etwas nicht. Albert fuhr zu seinem Vater aufs Land zurück. Er kam zwar nicht als gemachter Mann heim, aber immerhin nahm er sein Bett, seinen Tisch und die zwei Hocker auf dem Dach des Busses mit. Ein bisschen Geld hatte er auch gespart, damit stieg er in die Landwirtschaft ein. Er baute Mais an, doch die Regenzeit schwemmte die Grashütte weg, in der seine Ernte lagerte. Wieder stand Albert vor dem Nichts. Und wieder band er sein Bett, seinen Tisch und die zwei Hocker auf dem Dach eines Busses fest.
Nairobi, zum Zweiten: Jetzt arbeitete Albert zunächst in einer Slumbar. Ein kleiner Raum, Kisten statt Möbel, billiges Bier, schlechter Whisky, Cola in staubigen Flaschen. Er lebte vom Trinkgeld. Glücklicherweise wurde Albert dabei nicht selbst sein bester Kunde, denn er trinkt nicht. Ein einziges Mal hat er ein Bier probiert, ein «White Cap», und ist davon sofort eingeschlafen. Danach war er froh, dass es kein Guinness gewesen ist, denn damit hätte er drei Tage geschlafen. Außerdem wusste Albert nun: Halleluja ist nicht sein Ding. Mit Halleluja bezeichnet man in Kenia den Zustand der Volltrunkenheit. Nach einem weiteren Job in einer Plastikfabrik (zwei Jahre) und einer Baufirma (drei Jahre) stellte sich Albert die Frage, durch wie viele Jobs ein Mann gehen muss, bevor er seine Berufung findet.
Ein Mann, der immer nüchtern ist, keine bad boys mag, scharfe Augen und ein feines Gehör hat und zudem Kenntnisse über den Umgang mit wilden Tieren, heuert am besten als Wächter bei der größten Sicherheitsfirma der Stadt an. Drei ehemalige Mitglieder der US Navy haben sie aufgezogen. Und sie boten ihm, für den Fall, dass er auch im Karen-Viertel arbeiten würde, interessante Konditionen. Albert nahm den Job sofort an, denn er unterschätzte die Gefahr, die Wächtern im Karen-Viertel droht. Es ist der reichste Stadtteil von Nairobi. Hier wohnte Karen Blixen, die «Jenseits von Afrika» geschrieben hat. Der Nachteil des Viertels ist, dass es zum einen von Slums und zum anderen vom Nairobi-Nationalpark begrenzt wird. Als er 1946 eröffnet wurde, gab es noch genügend Platz zwischen ihm und der Stadt, aber inzwischen ist Kenias Metropole ein bisschen gewachsen, heute leben wilde Tiere und Stadtbevölkerung in direkter Nachbarschaft. Nur ein lächerlich dünner Zaun trennt die Heimat von immerhin achtzig Säugetierarten und dem weltgrößten Bestand freier Nashörner von dem Haus, das Albert zugeteilt wurde. Die Stelle war vakant, weil ein Leopard das Genick
Weitere Kostenlose Bücher