Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
nächsten drei Tage in dieses Jahrmillionen alte Ökosystem eintauchen zu dürfen, ja, ein Teil von ihm zu werden. Schnell war unser spärliches Gepäck in den Mokoros verstaut. Wir trugen nur das Nötigste bei uns, wollten so leicht und beweglich wie möglich sein. Ein paar Kleidungsstücke zum Wechseln und unsere Hygiene- und Medikamentenpacks hatten wir in wasserdichte Kunststoffbeutel verstaut und uns hinter den Rücken geschoben. So fanden Michael und ich bequem hintereinander in einem Mokoro Platz. Mit schwarzer Sonnenbrille, den Blick auf den Horizont gerichtet und Ausschau haltend auf ausreichend tiefe Durchlässe im Irrgarten der Wasserwege, stakte Bob, unser Bootsführer, mit seiner mehr als zwei Meter langen Holzstange den Einbaum vorwärts. Während wir, weit nach hinten gelehnt und mit dem Gesicht nur knapp über dem pechschwarzen Wasser, die unberührte Natur an uns vorbei ziehen ließen.
Dieser Moment, als wir voll Entdeckungshunger und Tatendrang mit unseren Mokoros loszogen, die Welt jenseits des Horizonts zu erobern, war einer der schönsten Augenblicke meines Lebens und wird es immer bleiben. Nach vorne reichte mein Blick bis tief in das unberührte Afrika. Wenn ich mich umdrehte, sah ich in das Gesicht meines Michaels, der mit glänzenden Augen und umgehängtem Fernglas hinter mir saß und mich bei jedem Augenkontakt aufgeregt auf etwas, das er gerade erspäht hatte, aufmerksam machte. „Papa, hast du den Greifvogel eben gesehen? Was hatte der denn für abstehende Federn an seinem Hinterkopf?“ Ich hätte stundenlang so weiter fahren können. Für mich hätte es nie mehr aufzuhören brauchen. „Und erst, wenn wir zu den ganzen wilden Tieren kommen. Glaubst du, dass es hier im Wasser Krokodile gibt?“
„Hier wohl eher nicht, wir sind noch nicht weit genug gefahren“, versuchte ich, Michael etwas herunterzuholen – selbst vor Glückseligkeit beinahe übersprudelnd. Denn nichts bereitete mir größere Freude, als zu sehen, welcher Zauber Michael umfing und wie gefesselt er von allem war.
Bild 4: Aufbruch ins Okawango Delta
Bild 5: Die Mokoros kommen
Bild 6: Bob und Michael im Mokoro auf dem Weg zu unserem Lagerplatz
Wegen des frühen Morgens war es noch empfindlich kalt. Nur mühsam gelang es der langsam aufsteigenden Sonne die Luft zu erwärmen. Wie um uns zu entschädigen, überzogen ihre schräg einfallenden Strahlen diesen amphibischen Garten Eden mit einem leuchtend hellen, glasklaren Streiflicht. Die hellen Stämme der Baobab-Bäume schienen durch die Arbeit des Sonnenlichts wie von Hand gemeißelt. Gleich einem Märchenwald der Fantasie glitzerte millionenfach der Morgentau, eine Spielwiese blauer, roter und gelb-weiß gestreifter Libellen, gejagt von exotisch bunten Vögeln.
Tiefer im Überschwemmungsgebiet verdichtete sich das matte Grün der vielen Grasinseln immer wieder zu dunklen, bedrohlich erscheinenden Tunneln, die nur wenig breiter waren als unser Einbaum-Kanu. Nicht nur einmal fühlten wir uns bei der Passage eines dieser kühlen, grabesstillen Labyrinthe an Joseph Conrads „Herz der Finsternis“ erinnert, sahen zwischen den meterhoch emporwachsenden Schilfwänden imaginäre Krieger lauern.
Umso befreiender, ja, glückverheißender wurden wir am Ende dieser Durchfahrten vom feierlich leuchtenden Türkis des morgendlichen Himmels und dem frohsinnigen Gezwitscher der durch die Wärme des aufziehenden Tages tirilierenden Heckensänger empfangen. Es war ein Fest der Sinne, durch dieses Wunder der Natur zu gleiten. Niemand sprach ein Wort, jeder nahm für sich die neuartigen Eindrücke auf und genoss auf seine Weise. Selbst Michael hatte sich beruhigt und zeigte sich von seiner besinnlichen Seite. Schweigend, mit ausdruckslosem Pokerface seine Gefühlswelt verschlossen haltend, ließ er die Wirkung all dieser geheimnisvollen Großartigkeiten auf seinen noch jungen Intellekt nur erahnen.
Und immer wieder begegneten wir jetzt Elefanten. Zumeist hielten sie sich in kleinen Gruppen nahe beim Wasser auf oder überquerten überschwemmte Flächen an flachen Passagen, um von einer trockenen Erhebung zur nächsten zu gelangen, ständig auf der Suche nach Essbarem. Ganze Herden von Wasserböcken sprangen, aufgeschreckt von unserer kleinen Formation leise dahin gleitender Mokoros, mit erhobenem Hinterteil und geblähten Nüstern durch das aufspritzende Wasser davon. Im Gegensatz zu den Hunderten von Kaffernbüffeln, die, geruhsam und völlig unbeeindruckt von
Weitere Kostenlose Bücher