Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
den letzten Tag ihres glücklichen Aufenthalts in den Untiefen des Kibale Waldes feierten.
10. Welcome to Lamu
Kenia, im Jahr 2011
Nein, das konnte nicht sein. Scheinbar hatten mir die Halunken im Hotel etwas in meinen Kaffee gemischt und jetzt auf dem Flughafen gingen die Halluzinationen los. Als ich unser Flugzeug auf dem Rollfeld stehen sah, meinte ich, meinen Augen nicht trauen zu können. Würden wir wirklich damit fliegen?
Zusammen mit Michael wartete ich auf dem Inlandsflughafen von Nairobi auf das Boarding für unseren Flug mit der kleinen kenianischen Fluggesellschaft „Safarilink“ nach Lamu. Da der Flughafen von Lamu nur von weniger als einer Handvoll Fluglinien angeflogen wird, waren wir fest davon ausgegangen, sicher ein Düsenjet oder zumindest eine mehrmotorige Maschine würde für die unzähligen Passagiere bereitstehen. Unsere kleine Cessna hatte aber nur vier Sitzreihen und Platz für sage und schreibe 13 Passagiere. Und außer uns beiden wartete in dem kleinen Kiosk vor unserem Gate gerade noch ein einziger weiterer Fluggast.
Zu Fuß überquerten wir schließlich im Schlepptau einer feschen Flughafenbediensteten die wenigen Meter über das Rollfeld bis zu dem Flugzeug. Während wir unsere Plätze in der Sitzreihe unmittelbar hinter den beiden Pilotensitzen einnahmen, wurde unser Reisegepäck in die kleine Luke direkt unter unseren Füßen geladen. Als Bordverpflegung ging eine Plastikdose mit Pfefferminzbonbons reihum, aus der wir uns ausgiebig bedienten. Aber satt machten uns die Bonbons nicht. So richtig satt machte dafür der Flug. Wir genossen einen sensationellen Ausblick auf grüne Weiden mit Tiertränken und unzählige Viehherden. Wegen der geringen Flughöhe waren die Kühe spielzeuggroß und die Hirten klein wie Ameisen. Kaum hatte die Cessna das Meer erreicht, kam schon die Landebahn des Flughafens von Lamu in Sicht, die wir in einem steilen Bogen anflogen – mit einem fantastischen Panoramablick auf die alten Mauern von Lamu Town.
„Lamu? Was ist denn Lamu?“, hatte Michael mich gefragt, als ich es das erste Mal als unser mögliches Reiseziel ins Gespräch gebracht hatte. Lamu ist ein alter Jugendtraum von mir, hatte ich gedacht, aber nicht gesagt. Ich sah ein, dass nur den wenigsten die Hintergründe von Lamu bekannt sein dürften. Wahrscheinlich wussten die meisten Menschen nicht einmal von Lamus Existenz. Lamu hätte alles sein können. Der neue Kinderriegel aus ganz besonders viel Milch oder eine Unterart des Emu.
Also kramte ich mein angelesenes Wissen aus der Box und erklärte: Der Lamu-Archipel befindet sich im äußersten Nordosten der 700 Kilometer langen kenianischen Küstenlinie. Fernab der Touristenzentren Mombasa und Malindi, mit Nairobi nur durch eine staubige, nicht durchgehend asphaltierte Überlandstraße verbunden, blieben die Inseln bis heute vom Einzug der Moderne, oder gar von Touristenströmen verschont. Neben den vier größeren, bewohnten Inseln Lamu, Manda, Pate und Kiwaiyu bilden unzählige kleinere Eilande, bis hin zu winzigen, mangrovengesäumten Koralleninseln, den Boden für eine immer noch ursprüngliche Suaheli-Kultur.
Die Lebensgrundlage der Menschen bilden dabei heute wie in alten Zeiten der Fischfang und der Handel. Es waren vor allem arabische, persische und indische Händler, die bereits weit in vorislamischer Zeit mit ihren Schiffen, den Daus, auf der Suche nach neuen Handelsmöglichkeiten die ostafrikanische Küste hinunter zogen und an strategisch günstigen Orten Niederlassungen gründeten. Dort betrieben sie mit der eingesessenen Bevölkerung einen regen Austausch von Gütern, waren jedoch auf die sich etwa halbjährig ändernden Monsunwinde angewiesen, um mit ihren reich beladenen Segelschiffen zurück in ihre östlich von Afrika gelegenen Heimatländer zu gelangen. Durch diese langen Aufenthalte vermischten sich zunehmend die Menschen und Kulturen. Besonders in den urbanen Zentren, allen voran Sansibar, Mombasa und eben Lamu entwickelte sich daraus etwas Neues, die Suaheli-Kultur. Lamu galt dabei als wichtigster Schmelztiegel, und es wird vermutet, dass die ersten arabischen Daus mit dem Ziel Ostafrika auf dem Lamu-Archipel vor Anker gingen und den Grundstein für die allerersten Handelsposten legten.
Im Laufe der Jahrhunderte wurden durch die zunehmende Prosperität der Küstenstädte weitere Handelsnationen angezogen. Neben Schiffen aus Indonesien und China drängten verstärkt die Handelsflotten der
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