Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
traditionelles Altstadthaus mit einer Fassade wie aus tausendundeiner Nacht auf sich aufmerksam, von dessen einladender Veranda mir ein sympathischer Rastafari, etwa in meinem Alter, freundlich zuwinkte und mir Zeichen gab, zu ihm in das Obergeschoss hochzukommen. Er deutete auf eine schmale Gasse, die an der Gebäudeseite entlang zu dem seitlich gelegenen Hauseingang führte. Oberhalb der Tür war ein Schild montiert, das den Namen des Hotels, das sich in dem Gebäude befand, verriet: Es war das „Petley`s Inn“. Legendärer Anlegeplatz verlorener Seelen. Mit der angeblich verruchtesten Bar von Lamu Town.
Aber auch mit blitzsauberen, geräumigen Zimmern samt eigener Veranda, bequemem Sofa, Sitzecke und Zimmerservice. Das Highlight wartete jedoch im Innenhof auf uns: Dort befand sich tatsächlich ein liebevoll designter, kleiner Swimmingpool, der wie für uns gemacht schien, wenn wir abgeschlagen und salzverkrustet von unseren Dau-Ausflügen zurückkehren würden. Und das alles für den sagenhaften Preis von 35 US Dollar - wir unternahmen nicht einmal den Versuch, den Preis herunter zu handeln. Keine Zeit sollte vergeudet werden, wartete doch die Altstadt von Lamu mit all ihren Geheimnissen auf uns. Vorher hieß es jedoch - zum ersten Mal während dieser Reise – ab in den Pool!
Bild 30: Die Altstadt von Lamu
Frisch gewaschen und gekämmt liefen wir wenig später durch die Straßen von Lamus Altstadt. Wir ließen uns treiben, wollten erst einmal die Duftnote dieses geschichtsträchtigen Viertels aufnehmen. Es war später Nachmittag und das Leben in den engen Gassen begann langsam wieder in Gang zu kommen. Vorbei war die heiße Tageszeit und ein erfrischender Wind kündigte den nahenden Sonnenuntergang und damit die Stunden des Tages an, während der die Menschen auf die Straße gingen, um ihre wegen der Hitze aufgeschobenen Tätigkeiten zu erledigen. Und natürlich, um ausgiebig zu essen und zu trinken.
Doch noch mussten sich die mehrheitlich muslimischen Einwohner gedulden. Denn es war Ramadan, die etwa vierwöchige Fastenzeit, während der zwischen dem Sonnenauf- und dem Sonnenuntergang weder gegessen noch getrunken werden durfte. Es hieß also noch warten, bis das Hungern ein Ende finden und das allabendliche Schlemmen beginnen konnte.
Dafür liefen überall in den Gassen die Vorbereitungen für die gemeinsame Fastenunterbrechung. Es wurden an allen Ecken und auf jedem freien Platz Stände aufgebaut, an denen um die Wette gekocht, frittiert und gebraten wurde. Es gab Lamm-, Rinder-, Fisch- und vegetarische Currys, es wurden Hähnchenteile und ganze Fleischstücke über offenem Feuer gegrillt, eimerweise Salate geschnitten und unzählige Fleischspieße vorbereitet. Sittsam in bunte Hidschabs, einen den ganzen Körper bedeckenden Überwurf, gekleidete Frauen jeden Alters verkauften die unterschiedlichsten Süßspeisen und Frittiertes. Ihr Angebot umfasste Sesambällchen, indische Pakoras, das war mit Teig ummanteltes Gemüse , gesüßtes Fladenbrot, ja sogar Ölgebäck, das tatsächlich aussah und auch so schmeckte wie unsere heimischen Krapfen. Selbst die Kleinsten, Kinder von gerade mal sechs oder sieben Jahren, hatten neben den Verkaufsständen ihrer Eltern eigene kleine Auslagen, in denen sie Tütchen mit Nüssen oder einzelne Kaugummis anboten. Sie freuten sich überschwänglich und kicherten um die Wette, wenn ihnen einer der Erwachsenen, oder sogar einer der wenigen vorbei schlendernden Ausländer, etwas abkaufte.
Bild 31: Kulinarische Vielfalt in Lamus Gassen
Aber vorerst war es noch nicht so weit. Bis die ganzen Leckereien verzehrt werden konnten, bedurfte es noch der "Freigabe", denn erst wenn man einen weißen Faden nicht mehr von einem schwarzen unterscheiden konnte, durfte wieder gegessen und getrunken werden.
Sofort gingen dann kleine Tassen mit Wasser und Teller voller Süßspeisen reihum. Keiner der Anwesenden wurde dabei ausgelassen, und so wurden auch Michael und ich regelmäßig aufgefordert, mit den Muslimen gemeinsam das Fasten zu brechen. Dass wir uns tagsüber nicht mit der gleichen Hingabe durch strengen Nahrungsentzug kasteit hatten wie sie, schien keinen Unterschied zu machen. Viel mehr im Vordergrund stand bei dem Ritual das Gemeinschaftliche, das niemanden ausschloss.
Michael und ich nahmen die Einladung jedes Mal dankend an – und zahlten so gut wir konnten in gleicher Münze zurück. Wie ausgehungerte Löwen futterten wir uns von Imbissbude zu Imbissbude.
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