Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
dieser Erfahrung noch nie etwas gehört zu haben.
Amy ließ nicht locker und dröhnte mit ungedrosselter Schimpansenverscheucherstimme: „Es geht los mit Tagespreisen von 200 US-Dollar, aber je länger man bleibt, desto größer der Rabatt, der gewährt wird. Für drei Tage bezahlten wir 500 US-Dollar, Unterkunft und Verpflegung eingeschlossen.“
„Angeber“, hörte ich Michael rufen, der mittlerweile ein paar Meter hinter mir im Gebüsch stand und pinkelte. Pinkeln sollte während dieser Exkursion noch einen ganz besonderen Stellenwert einnehmen. Aber was war das denn? Sich dafür einzusetzen, anderen den Besuch von Schimpansengruppen zu ermöglichen, und damit zur Erhaltung der Tiere und deren Lebensraum beizutragen, war sicher löblich. Wieso jedoch musste sie den finanziellen Aspekt so in den Vordergrund stellen? Um zu zeigen, wie viel sie sich ihr Gutmenschentum kosten ließ? Und welch leicht zufriedenzustellende Geizkrägen wir doch wären?
Eine Menge garstiger Worte lag mir in diesem Moment auf der Zunge. Michael sah es mir wohl an. „Papa, die halten sich für etwas Besseres. Wollen wir sie ein wenig auf die Schippe nehmen?“ An anderer Stelle wären Amy und Sophie ein gefundenes Fressen gewesen. Hier jedoch waren wir wegen des Erlebnisses mit den Primaten– und nicht, um vorlaute Wichtigtuer in ihre Schranken zu weisen. „Sollen die beiden sich ruhig aufspielen“, nahm ich Michael die Vorfreude, „ich möchte mich lieber auf das konzentrieren, was die Schimpansen zu bieten haben. Schließlich sind wir ihretwegen hier.“
Michael ließ sich überzeugen „Du hast recht, über sie lachen können wir auch, ohne sie hochzunehmen.“ Und um über sie zu lachen, sollten Amy und Sophie noch ausreichend Anlass bieten.
Ihres skurrilen Unterhaltungswerts wegen und um den beiden grauhaarigen Nebelkrähen nicht vor den Kopf zu stoßen, versuchte ich also, einen Eklat zu vermeiden. Und heuchelte mehr schlecht als recht Interesse. „Ist es nicht wahnsinnig anstrengend, drei Tage lang im Dschungel den Schimpansen hinterher zu sein?“
„Natürlich“, schaltete sich Sophie ein, als hätte sie nur darauf gewartet, „wir haben uns auch gut darauf vorbereitet. Die täglichen Märsche durch die unwegsamen Regionen des Kibale Waldes sind das beste Training. Wir sind bereits seit eineinhalb Monaten hier und haben das dreitägige Habituierungsprogramm schon vier Mal mitgemacht. Alles in allem dauert es im Durchschnitt vier lange Jahre, um die Tiere an Menschen zu gewöhnen.“
Ich hätte laut loslachen können. Wieso hatten wir nicht einfach zwei freie Plätze bei einer braven, langweiligen Familie aus Japan finden können? Der einzige Grund, warum Amy und Sophie überhaupt an so etwas Einfältigem wie unserem popligen Halbtagestracking teilnahmen, war, um ein paar der Schimpansen wiederzusehen, an die sie während der Habituierungsarbeit ihr Herz verloren hatten.
Wir kamen nicht mehr dazu, Amy und Sophie Kontra zu geben. Ein Raunen ging durch die Besucher und rettete uns vor den Hardcore-Habituiererinnen. Um uns gerieten alle in Bewegung, hin zu einem Baum ganz in der Nähe, die Blicke konzentriert in die ausladende Krone gerichtet. Keine Frage, da oben tat sich etwas. Es krachte, Blätter und feine Zweige rieselten herab, die Besucher tuschelten in ihren unterschiedlichen Sprachen.
„Da kommt einer herunter!“ Noch eh ich wusste, was los war, hatte Michael den ausgewachsenen Schimpansen bereits entdeckt, der in aller Seelenruhe und als läge kein sensationslustiges Publikum auf der Lauer, mit ein paar eleganten Griffen an dem mannsdicken Stamm entlang nach unten kletterte, um mit seinen traurigen Augen in die Runde nervös an ihren Fotoapparaten herum nestelnder Touristen zu blinzeln. Im Nu hatte sich der Kreis aus dreibeinigen Stativen und zweibeinigen Goretex-Jacken um ihn geschlossen – was alle Ranger sehr, wirklich sehr beunruhigte. Ihre Augen verrieten die Angst, einer ihrer sensationslüsternen und – das vor allem – gut zahlenden Schutzbefohlenen könnte in Windeseile vom heutigen Hauptdarsteller samt Kameraausrüstung und Autanschutzfilm zusammengefaltet und zur Seite gerollt werden. Hatten sie wirklich bereits solch einschneidende Erfahrungen machen müssen? Heute war derlei nicht nötig, reichten zwei, drei geschmeidige Körpertäuschungen und der Weg aus dem Kreis erstarrter Homo sapiens war gebahnt.
„Hast du ihn erwischt?“, zischte Michael mir zu, weil er mein Talent kannte, für
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