After Moonrise (German Edition)
Bett, und sie musste den ganzen Weg dorthin lachen.
10. KAPITEL
L evikuschelte sich an Harper, auf eine Weise befriedigt, wie er noch nie befriedigt gewesen war. Sie war so fröhlich, und ihr Lachen war besser als jede Musik. Mit nur einem einzigen Lächeln gelang es ihr, ihn von innen heraus erstrahlen zu lassen, jeden verborgenen Winkel in seiner Seele wie mit einem Scheinwerfer zu beleuchten. Sie passte zu ihm, ihre Leidenschaft stand seiner in nichts nach, ihre Bitten nach mehr wirkten auf ihn wie ein Aphrodisiakum, ihre massierenden Hände waren eine Offenbarung.
Solange sie beide sich am Rand der Ekstase befunden hatten, waren sie zu sehr im Hier und Jetzt gewesen, um sich Gedanken um die dunklen und gefährlichen Rätsel der Vergangenheit und Zukunft zu machen. Er hatte recht gehabt. Das war genau, was sie gebraucht hatte, um sich zu entspannen und loszulassen.
Hinterher, erschöpft vom stundenlangen Erkunden ihres Körpers, hatte er bemerkt, dass die Angst aus ihrem Blick verschwunden war. In den Winkeln ihrer himmelblauen Augen bildeten sich winzige Fältchen, wenn sie lächelte und ihn wegen seiner Unersättlichkeit neckte; ihre Wangen waren tief gerötet, und ihre Lippen rot und geschwollen, wo er daran geknabbert und gesaugt hatte.
Doch jetzt, eingehüllt von den stillen Schatten der Nacht, während Harper neben ihm schlief und tief und regelmäßig atmete, konnte er selbst nicht anders, als über diese dunklen und gefährlichen Rätsel nachzugrübeln. Sie hatten beide mit dem Geist einer Toten im gleichen Gebäude gewohnt. Wieso hatten sie nichts davon gewusst? Wie hatte er die Fähigkeit entwickeln können, ins Reich der Toten zu blicken, obwohl jeder, den er kannte, diese Gabe entweder schon vor der Pubertät besessen hatte oder hart daran arbeiten musste, um sie zu erwecken? Und wie war Harper das gelungen?
Harper. Seine schöne Prinzessin. Er hatte das Gefühl, siejeden Augenblick verlieren zu können, und fühlte sich hilflos wie ein Säugling dabei. Als könnte sie einfach davonschweben, und er würde sie nie wieder sehen oder hören. Für sie würde er ohne zu zögern gegen jeden Dämon kämpfen, aber was konnte er mit der Faust oder sogar einer Waffe gegen unsichtbare Mächte ausrichten?
Auch wenn er in Petersons Büro etwas anderes gesagt hatte – Lana war wahrscheinlich tot. Das Gemälde zeigte vermutlich nicht die Zukunft, sondern die Vergangenheit. Harper hatte wahrscheinlich dabei zusehen müssen, wie ihre Freundin gefoltert und ermordet wurde.
Wahrscheinlich. Wie er dieses Wort hasste, aber er wollte sich nicht auf irgendetwas mit Bestimmtheit festlegen, bis er genug Beweise hatte.
Lana war – wahrscheinlich – während der paar Wochen ermordet worden, als Harper vermisst worden war. Und wenn Lana ein Geist oder untot war, erklärte das auch, warum Harper nie irgendwelche Verletzungen oder Quetschungen an ihr aufgefallen waren und wie es Lana gelungen war, zu verschwinden und sich so unauffindbar zu verstecken.
Mithilfe der Blackouts ließ sich im Grunde auch Harpers ganzes Verschwinden erklären. Vielleicht war sie nie entführt worden. Sie könnte in einem Dämmerzustand gewesen sein, nicht dazu in der Lage, zu verarbeiten, was geschehen war, und zwar von dem Augenblick an, in dem sie Lana auf der Metallplatte gesehen hatte, bis zu dem Zeitpunkt, als Lana erneut in ihr Leben getreten war.
Auch Lanas Geist könnte verdrängt haben, was geschehen war, und einfach so weitergemacht haben, als wäre alles genau wie vorher.
Doch ein paar nagende Fragen blieben. Warum hatte Harper weiterhin Blackouts? Damit sie langsam die schrecklichen Geschehnisse verarbeiten konnte? Blieben noch einige weitere Ungereimtheiten – seine eigenen Blackouts, sein Auftauchen im Gebäude, die Tatsache, dass auch er Lana sehen konnte. Dass Harper sie sehen konnte, war verständlich. Die zwei standen einander sehr nahe. Aber er? Nein. Es sei denn … er war irgendwie mit Harper verbunden und sah, was sie sah.
Außerdem, warum sollte Lana erst Harper als vermisst melden und dann selbst verschwinden? Das wäre schon ein riesiger Zufall. Und doch würde das erklären, warum Lana nicht noch einmal auf die Wache gekommen war, um Harpers Wiederauftauchen zu melden.
So viele alte und neue Fragen, und Peterson wusste vielleicht alle Antworten. Dieser mitleidige Blick, als Harper von ihrem Gemälde gesprochen hatte … dieses Versprechen, nachzuforschen, dieser Tonfall voll düsterer Vorahnungen
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