Age 17 - Camy and Rave
das kurze Haar glänzte seidig, und ihre Augen funkelten wie Edelsteine, wenn auch sehr böse. Dieses Mädchen musste wahrlich ein Engel sein!
»Los sag mir, wo bin ich hier?« Camys Stimme unterbrach seine Bewunderung und brachte ihn in die Realität zurück.
»In meinem Haus. Ich habe es gemietet, solange ich meiner Aufgabe hier in New Haven nachgehe«, erklärte er kurz angebunden.
»Welcher Aufgabe? – Ahnungslosen Engeln die Flügel stehlen?«
»O Mann, du bist wirklich mies drauf! Was hast du nur immer mit diesen Flügeln?«
»Wie ginge es dir denn, wenn du eines Tages aufwachst und jemand hätte dir deine Beißerchen gezogen? Das würde dir doch sicherlich auch nicht gefallen«, entgegnete sie scharf.
Rave musste ihr recht geben. Das war wirklich keine sonderlich angenehme Vorstellung.
»Wer genau hat dir deine Flügel gestohlen?«, wagte er zu fragen.
»Jemand … wie du. Es waren Vampire. Sie haben mich gefangen und mir die Flügel geklaut. Ich muss sie auf jeden Fall zurückbekommen.« Hilflos strich Camy sich mit einer Hand übers Haar.
Rave wusste nicht, warum sie ihm das alles anvertraute, doch irgendetwas in ihren Augen sagte ihm, dass sie ihm vertraute. Mochte sie auch ihre Kräfte verloren haben, so schien sie sich doch auf ihre Instinkte zu verlassen.
»Ich hasse euch dafür, dass ihr mir das angetan habt!«, schrie sie auf einmal. Ihre Augen schienen Funken zu sprühen.
»Das kann ich gut nachvollziehen, aber ich habe nichts damit zu tun. Das musst du mir glauben.«
Camy hob desinteressiert die Schultern. Es war ihr egal, ob Rave etwas damit zu tun hatte oder nicht. Er war schuldig, so wie alle Vampire. Er würde büßen, so wie alle Blutsauger. Nur musste sie dafür erst einmal ihre Flügel wiederhaben, und zwar möglichst schnell!
»Kann ich dir sonst mit irgendetwas dienen?«, fragte Rave in die Stille.
Camy schüttelte den Kopf. »Ihr Vampire redet immer so geschwollen. Das ist echt lächerlich.«
»Das liegt wohl daran, dass wir schon vor Hunderten von Jahren das Sprechen erlernt haben.«
»Schon wieder!«, rief sie und funkelte ihn zornig an. »Lass das! Du hörst dich an wie dein eigener Großvater. Ich lebe auch schon seit einer ganzen Weile und habe mich angepasst. Was ist daran so schwer?«
»Gar nichts! Genauso wenig, wie auf seine Flügel achtzugeben!«
Das war zu viel des Guten. Mit einem hektischen Satz sprang Camy vom Bett auf und schoss auf Rave zu. Offenbar war ihr Kreislauf – sofern Erzengel einen hatten – wieder halbwegs stabil.
Rave war ebenfalls aufgesprungen und baute sich vor ihr auf. »Lass mich nicht bereuen, dich gerettet zu haben.« Er klang fast drohend.
»Jetzt soll ich dir also auch noch dankbar sein?«
»Auf jeden Fall ist deine aggressive Art hier völlig fehl am Platz.«
Sie standen sich wie zwei wütende Stiere gegenüber und beobachteten die Reaktion des anderen.
»Ich würde wirklich gern wissen, was du von mir willst«, zischte Camy leise.
»Was ich von dir will? – Gar nichts! Ich habe dich gerettet, falls dir das noch immer nicht aufgefallen ist. Meine gute Tat für heute.«
Plötzlich gaben ihre Knie nach. Hätte Rave sie nicht aufgefangen, wäre sie zu Boden gestürzt. Er reagierte blitzschnell, hob sie auf seine Arme und trug sie zurück zum Bett, wo er sie sanft ablegte. Sie war leicht wie eine Feder.
»Du solltest dich noch etwas ausruhen, bevor du in den Krieg ziehst.«
Camy stöhnte und rieb sich die Schläfe. Wider Erwarten nickte sie dann leicht. »Ja vielleicht hat du recht. Was machst du eigentlich hier in New Haven?« Sie rutschte etwas beiseite, und Rave nahm am äußersten Bettrand Platz.
»Ich besuche die Highschool«, sagte er lakonisch.
Camy stieß ein tiefes Lachen aus. »Das soll ich dir glauben? Wie viele Abschlüsse hast du schon ? Zehn? Oder zwanzig? Du denkst doch nicht wirklich, dass ich dir deine 17 Jahre abkaufe! Mag deine Haut auch noch so jugendlich sein.«
Rave lächelte, wobei seine schneeweißen Zähne fast aufleuchteten. »Sagen wir mal so: Ich bin auch auf der Suche nach etwas, was aber mit deinen Flügeln nicht das Geringste zu tun hat. Reicht dir das als Antwort?«
»Fürs Erste, ja« Camy war überrascht, welche Wirkung Rave auf sie hatte. Normalerweise spürte sie puren Hass im Beisein von Vampiren, doch in seiner Gegenwart war dieses Gefühl immer mehr verblasst, bis am Ende nichts davon übrig blieb und eine wohlige Wärme dessen Platz eingenommen hatte. Im ersten Moment wusste
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