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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Woche erschien eine Hilfe, und sie sprach mit der viel jüngeren Frau wie ein Mädchen zum anderen. Sie wollte sich immerzu gut unterhalten, sie brauchte diesen Austausch von Einsichten, doch in der Familie waren
ihre Themen gefürchtet, denn sie ließ uns nicht los, bis sie alles durch ihre Mühlen gedreht hatte. Bei solchen Gesprächen konnte sie sich begeistern, ich glaube, sie war nur auf der Suche nach geeigneten Partnern, doch die Stadt hatte auch ihr nur wenig zu bieten.
    Manchmal lud sie die verschiedensten Leute zu einer Abendgesellschaft ein und wartete ungeduldig darauf, daß das Essen vorbei sein würde; sie hatte keine Freude am Kochen, all diese Vorbereitungen dienten nur dazu, die Laune der Gäste zu heben, sie fit zu machen für die Unterhaltung danach. Sie drängte Vater, Wein einzuschenken, sie gierte geradezu nach den ersten, vom Lob der Küche und dem üblichen Hymnus auf die Einrichtung abschweifenden Sätzen, dann schnappte sie zu und stachelte alle zu besonderen Leistungen an. Bei solchen verbissen geführten Gesprächen blühte sie auf, bis hin zur heißen Phase, wo es nur noch um die besseren Schlagworte ging. Zum Schluß hatte sie alle soweit, für oder gegen etwas zu sein, und erst dann erschien sie erleichtert, als habe sie einem jeden etwas entlockt. Vater ließ sie gewähren, er kümmerte sich wenig um ihre Interessen; er hätte sich lieber solche Strapazen erspart, aber zu später Stunde hielt er gut mit, weil die meisten Themen dann Rechtsfragen streiften. Wenn er Erfolg gehabt hatte, hörte man bei der Verabschiedung seine laut gewordene Stimme; für einen dichten Moment war es ganz still, dann setzten die sanften, entspannenden Rhythmen des Jazz ein, leise, gedämpft.
     
    Ich war sicher, daß ich von Vater nichts lernen konnte. Er hatte eine linkische Art und konnte sich nicht einmal ans Autofahren gewöhnen. Er fand keinen Spaß an technischen Dingen, und wenn im Haushalt etwas defekt war, war es am
besten, gleich einen Fachmann zu rufen. Vater hielt sich bei allem nur auf; er tüftelte blindlings herum und gab sich den Anschein des Kundigen. Irgendwann mußte er passen, meist erst nach gutem Zureden. Vielleicht glaubte er, seinen Mann stehen zu müssen, aber er ging es falsch an, viel zu omnipotent, so daß es am Ende erschien wie ein Versagen.
    Morgens stand er als Erster auf; er war schon so früh in unnötiger Eile, als könne er gar nicht schnell genug zur Arbeit kommen. Wenn er aufgestanden war, brauchte er Leben um sich, so daß man leicht von seiner Betriebsamkeit angesteckt wurde. Unter der Dusche geriet er in Fahrt, und wir hörten ihn, wie er Signale von sich gab, als müsse er eine ganze Herde um sich versammeln. In Wahrheit war er nervös; die bevorstehende Arbeit bedrückte ihn, und er versuchte, dieses schlechte Gefühl zu vertreiben, indem er sich wie ein Befehlshaber aufführte. Niemand wollte mit ihm wetteifern, doch meist brachte er es fertig, uns zu seinen Konkurrenten zu machen.
    Manchmal denke ich, seine Unsicherheit rührte daher, daß er nie die richtige Zeiteinteilung fand; noch die Ferien verplante er, indem er Routen mit exakt bestimmten Tagesaufenthalten festlegte. Er hatte seine Freude daran, wenn alles reibungslos und ohne Verzögerungen verlief. Wir fuhren meist nach Frankreich, durch Burgund und weiter ans Mittelmeer; im Ausland kommentierte er gern sein Befinden, als werde man dort selbst zu einer Sehenswürdigkeit. Er tat, als habe er es auf Schlösser und Kirchen abgesehen, doch er konnte einfach nicht leben, ohne sich an Pflichten zu halten. Irgendwann hatte er verlernt, mit anderen umzugehen, und so regelte er unser Zusammensein wie einen Verkehr zwischen juristischen Parteien. Wir waren eine auseinanderstrebende
Familie, jeder von uns suchte seinen eigenen Weg, aber nur Vater verwechselte Zickzacklinien mit geraden Strecken.
     
    Mit der Zeit wurde die Schule zum Horror. Platz nehmen und sich drosseln, schwach mithalten, gerade so, daß die facts ankommen. Rechtzeitig Funkstille einlegen, dösen bis ultimo, dann durchstarten bei einer Runde Französisch. Hier zwei-, dreimal Eindruck machen, antworten, bevor du gefragt wirst. Umsteigen auf den historischen Zug, die verquaste deutsche Geschichte, Wilhelm der Kaiser, Weimar und Hitler, das Großmaul. Tempo rausnehmen, Betroffenheitsnirwana. Zwanzig Minuten Pause, das reicht für zwei Zigaretten und einen Kaffee. Latein, der klassische Ton, ein dumpfer Inzest von Worten. Ruhestellung, den Kopf in

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