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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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sicher.
     
    Seit ich Blok kannte, war das Leben in der Kreisstadt noch unerträglicher. Ich bekam Wutanfälle, wenn ich etwas besorgen sollte, denn diese Botengänge kamen mir vor wie Spießrutenlaufen. Die Geschäfte hatten etwas Modriges, als seien sie schlecht durchlüftet, und die Verkäuferinnen waren nie bei der Sache, so daß man ihnen im Kopfrechnen immer um Minuten voraus war. Diese kleinen Erledigungen quälten mich, denn sie standen für das Leben auf dem Land, wo sie einem die Zeit stahlen und Stunden damit zubrachten, Geschichten von anderer Leuts Familien in Umlauf zu halten. Solche Geschichten wurden über meinen Kopf weg erzählt, sie waren der dürftige Lebensstoff der Provinz, eine dauernde Beschwörung der ewig gleichen, miesen Verhältnisse. Sarah und mir war aufgetragen worden, so zu tun, als hörten wir nichts, aber ich ahnte, daß wir wie alle anderen Bewohner schon längst zur Zielscheibe dieser Verdrehungen geworden waren. Ich fühlte mich laufend beobachtet, und immer waren es Blikke wie auf einen vom anderen Stern. Ich konnte mich daran nicht gewöhnen, diese nachspionierende Mimik war zu präsent, am liebsten hätte ich mich unsichtbar gemacht. Doch
es gab kein Entkommen, so daß ich manchmal in Panik geriet und mich in meinem Zimmer einschloß. Mutter nannte dieses Verhalten pubertierend , sie beruhigte sich gern mit solchen Begriffen, die nichts besagten. Erwachsene konnten diesen Zustand nicht begreifen, denn sie lebten ganz woanders, auf irgendwelchen Inseln, von mir abgeschirmt durch lauter Redensarten.
     
    Die Jahre damals waren schlimm, noch in der Erinnerung sträubt sich alles gegen die Einzelheiten. Ich kam mir ausgesetzt vor, ein Ureinwohner des Dschungels, den man in die Wüste verfrachtet hatte. Ich empfand eine dauernde Unruhe, und jeder Tag begann mit diesem abwiegelnden und vertröstenden Hinhalten, das Mutter beim Frühstück verteilte. Sie redete sich ein, uns alle unterstützen zu müssen, vor lauter Selbstlosigkeit war sie ganz bleich geworden. Ich mochte ihren Opferblick nicht, Familiengeschenke waren bei mir nicht gefragt. Sie hatte ein Faible für Psychologie, und sie benutzte diesen ganzen halbverdauten Schrott dazu, Sarah und mich an die Leine zu nehmen. Was auch immer wir anstellten, erschütterte sie, am schlimmsten aber war die antrainierte Nachsicht, mit der sie unsere angeblichen Fehlleistungen entschuldigte. Sie hatte sich vorgenommen, uns zu verstehen, doch gerade dieses Verständnis ließ einen aufmucken, weil man keine Figur sein, sondern ganz für sich leben wollte. Sie begriff nicht, daß es am einfachsten gewesen wäre, uns in Ruhe zu lassen; stattdessen war sie schon in der Frühe laufend um einen herum, zuckerte einem den Tee, schob einem die Butter hin und redete dazu wie ein Engel, der alles Böse schon abwenden würde.
    Dabei berauschte sie sich an den Details; ich war sicher, es
sagte ihr etwas, wie Sarah den Löffel hielt und wieviele Brote ich aß. In ihrem Kopf wuchsen all diese Informationen zu monströsen Persönlichkeitsbildern zusammen. Bei ihrem Plappern wurde mir heiß, es ähnelte dem ködernden Murmeln von Photographen, die ihrem Opfer Entspannung einträufeln wollen. Letztlich aber lauerte immer ihr Blick, er sortierte unsere Gebärden und brachte sie mit jenen Reizwörtern in Verbindung, die um den Fetisch der Libido kreisten. Uns gegenüber hielt sie diese Wörter zurück, aber sie telephonierte viel, und die Gespräche mit ihren zahlreichen Freundinnen durchstöberten all diese seelischen Räume nach dem Verborgenen oder dem lauernd Latenten.
    Manchmal dachte ich während der Schulstunden an sie, wie sie das kleine Haus durchstreifen würde auf der Suche nach einer befriedigenden Tätigkeit. Sie konnte sich schlecht konzentrieren und mußte sich jede Arbeit lange vornehmen, um sich auf sie einzustimmen. So wanderte sie herum, las Zeitungen in der Küche, öffnete irgendwo ein Fenster oder verschwand im Keller, denn das feuchte Dunkel dort unten war wie ein Versteck. Sie brauchte viel zu lange, um sich anzukleiden, den halben Morgen verbrachte sie in einem Mantel aus blauem Frottee, der bis zum Boden reichte. Später suchte sie die Kleidung für den Tag zusammen, langsam und wählerisch, als könnte schon ein falscher Griff die Stimmung trüben. Sie gab sich oft etwas Strenges, trug eng anliegende Kostüme und steckte das lange Haar mit kleinen Kämmen zusammen, die hinter den straff sitzenden Partien verschwanden. Zweimal in der

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