Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist (German Edition)
(wertlos!), wenn mit dem Verhalten ihres Kindes im Kindergarten oder in der Schule etwas nicht in Ordnung ist, und deshalb werden manche sogar aggressiv. Schenk ihrem Bedürfnis, wertvoll zu sein, Aufmerksamkeit, und ihre Aggression ist in wenigen Minuten verflogen.
Manchmal richtet sich das aggressive Verhalten eines Kindes vorwiegend auf einen Lehrer, dann ist eine andere Form von Intervention notwendig. Da wir in der Tradition stehen, dass immer noch das Kind beschuldigt wird (was an sich ein aggressiver Akt ist), ist es unerlässlich, professionelle Hilfe außerhalb der Institution zu suchen, die den Versuch, die Beziehung zu verbessern, begleitet. Tatsache ist nämlich, dass es unglücklicherweise kaum Erzieher und Lehrer gibt, die durch ihre Einsicht, Haltung und Fähigkeiten in der Lage wären, mit dissonanten Beziehungen zu einzelnen Kindern verantwortlich und konstruktiv umzugehen.
VI. Empathie – das Gegengift gegen Gewalt
Es ist interessant, wie viele von uns dazu neigen, sofort von Prävention zu sprechen, wenn ihnen, ihrer Familie oder Gruppe etwas Unangenehmes zugestoßen ist. Gewiss war das zu bestimmten Zeiten in unserer Geschichte eine Frage des Überlebens, doch haben wir heute einen Punkt erreicht, an dem viele Eltern, Erzieher und Pädagogen oft den Ehrgeiz haben, wenn sie es nur könnten, Präventionsmaßnahmen für das Leben selbst zu erfinden.
Ich bin mir sicher, dass die Idee, Gewalt vorzubeugen, ebenfalls dem Aggressionstabu entspringt, unglücklicherweise funktioniert sie nicht wie beabsichtigt. Ich bin mir allerdings nicht sicher, in welchem Maß mein eigener Berufsstand, die Psychotherapeuten, diese Tendenz verursacht oder beschleunigt haben. Aber wenn Eltern und Pädagogen anfangen, aus jeder kleinen Emotion, die ein Kind ausdrückt, ein Problem zu machen, dann sind wir auf einem gefährlichen Pfad – weit weg von geistiger Gesundheit und gesunden wie wohltuenden Beziehungen. Dieses Thema habe ich bereits vorhin beleuchtet, ich werde mich im Weiteren auf die Empathie konzentrieren.
Die Samen der Empathie sind im Gehirn eines jeden Kindes von allem Anfang an vorhanden und soweit wir wissen, muss einiges geschehen, damit diese Saat in den ersten drei bis fünf Lebensjahren aufgeht:
Das Kind muss Empathie erfahren von den Eltern und jenen, die für es sorgen.
Dem Kind muss erlaubt sein, seine eigenen Emotionen zu erfahren und sie in einer sicheren, vorurteilsfreien Atmosphäre auszudrücken.
Das Kind muss eine breite Skala von emotionalen Reaktionen seitens der Eltern erfahren – nicht nur Reaktionen auf sich selbst, sondern auch Reaktionen der Eltern aufeinander, der Eltern auf die anderen Geschwister und die weitere Familie. Nur so kann das Kind lernen, dass andere Menschen dieselben Gefühle haben wie es selbst.
Mit anderen Worten: Um Empathie zu entwickeln, muss ein Kind die Gelegenheit haben, seine eigenen Emotionen sowie die der anderen kennenzulernen – zu diesem Wissen kommt das Kind nicht auf intellektuellem Wege, sondern nur durch Erfahrung.
Wenn also meine Eltern immer nur nett sind und lächeln, wenn sie lieb und zärtlich sind, wie kann ich als Kind lernen, dass andere Menschen auch verletzt sein können, dass sie Leiden, Frustration, Traurigkeit empfinden und ihre Geduld verlieren? Und wenn meine Eltern wollen, dass ich immer glücklich bin, wie kann ich lernen, dass alle meine anderen Gefühle auch gut und wertvoll sind? Und wenn meine Eltern meine Gefühle nur dann akzeptieren, wenn ich ein bisschen unglücklich, ein bisschen traurig und ein bisschen frustriert bin, was mache ich denn dann mit dem ganzen Rest, der in meinem Körper arbeitet und rumort?
Unglücklicherweise ist dieser antiemotionale Trend gerade jetzt so stark geworden, wo Kinder so wenig Freizeit haben – das heißt so wenige erwachsenenfreie Zonen, in denen sie in sich gehen, reflektieren, meditieren und ihre Kreativität entdecken können. Dies trifft besonders auf Kinder zu, die in Großstädten aufwachsen. Diese Kinder verbringen ihren ganzen Tag in Institutionen, die stolz darauf sind, Kinder auf allen Ebenen zu stimulieren – was übrigens von jeher in Übereinstimmung mit den guten alten Zielen dieser Institutionen steht. Sie leben in einer Welt, in der die Menge an äußerer Stimulation (genannt »Entertainment«) überwältigend und aggressiv ist.
Eine der Folgen, die wir in den letzten fünfzehn Jahren beobachten konnten, ist, dass Großstadtkinder überstimuliert sind, wenn sie
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