Agrippina - Kaiserin von Rom
Militärsandalen hörten, kamen Valerius sehr bekannt vor. Der eine klein und gedrungen, mit kurzem blondem Haar, der andere hoch aufgeschossen mit gekrümmtem Gang, das lange schwarze Haar strähnig auf die Schulter herabhängend. Das merkwürdige Paar hätte er auch auf größere Entfernung sofort erkannt. Auf sein Kommando hin hatten seine Männer blitzschnell die beiden zerlumpten Männer gestellt und hielten sie in Schach. Sie leisteten keinen Widerstand.
Es waren die beiden Männer, die vor einigen Wochen versucht hatten, seinen Sohn Titus zu entführen. Der Kleinere von ihnen stank auch jetzt noch erbärmlich. Offenbar hatte er bislang keine Gelegenheit gehabt, den übel riechenden Dreck abzuwaschen, den die alte Arnicia über seinem Kopf entleert hatte.
»Wer seid ihr? Wie heißt ihr?«, herrschte Valerius die Männer an, erntete aber nur verständnisloses Kopfschütteln. Aus blöden Augen starrten sie ihn schweigend an.
»Vielleicht verstehen sie kein Latein?«, mutmaßte Lucius, einer der Vigilen. Sein rotes Gesicht war von Pickeln übersät und glänzte im Licht der Sonne wie ein fettiger Pfannkuchen.
Valerius sprach sie nun auf Griechisch an, erhielt aber wiederum keine Antwort. Auch der Versuch in einheimischer germanischer Sprache, die Valerius inzwischen leidlich beherrschte, war nicht mit Erfolg gekrönt. Verständnislos blickten die Männer ihn an.
»Sicher sprechen sie einen entlegenen Stammesdialekt. Oder sie sind taub und stumm.«
»Wir werden sehen, Lucius«, murmelte Valerius. »Eporedix und Celtillus, fesselt sie. Dann bringt ihr die beiden zur Statio und haltet sie dort unter strenger Bewachung. Ich werde mich später mit diesen beiden Vogelscheuchen beschäftigen. Aber bei Mars , lasst sie nicht entwischen, oder ihr werdet mich kennen lernen!«
Die beiden Milizionäre wurden ziemlich blass bei dieser Drohung ihres Tribuns. Eilends brachten sie die mitgebrachten Hanfstricke zum Vorschein und fesselten die beiden Gestalten, die die Prozedur klaglos über sich ergehen ließen.
»Die anderen weiter!«
Sie wandten sich jetzt nach rechts in Richtung Decumanus . Aufmerksam musterten sie die vorbeigehenden Menschen. Hausfrauen, die schwer bepackt vom Markt kamen, eitle und herausgeputzte Müßiggänger, die die Sonne genossen, Sklaven, die im Auftrag ihres Herrn durch die Stadt hetzten, Händler, die auf vor den Bauch geschnallten Brettern Backwaren und gefüllte Brote anboten: Die Sonne hatte sie alle wieder aus ihren Häusern gelockt, aber kein verdächtiger Kahlkopf war darunter!
Sie hatten gerade die Hauptstraße erreicht, als sie auf einen Menschenauflauf an der Säulenhalle des Forums aufmerksam wurden. Offenbar spielte sich dort ein Handgemenge ab, denn die Menschen hatten einen Kreis um die Beteiligten gebildet, und kreischende Stimmen von zuschauenden Frauen feuerten die Kämpfer an.
»Lucius, schau nach, was da los ist! Vielleicht sind es ja unsere Leute.«
Der Milizionär beeilte sich, dem Befehl nachzukommen, kam aber wenig später mit rotem Gesicht zurück.
»Nein, Tribun, ein Betrunkener hat den Gemüsestand von Vertico umgestoßen, du weißt schon, der dicke Gemüsehändler aus Tolbiacum .«
Valerius nickte wortlos.
»Und nun verhaut die Frau des Gemüsehändlers, die noch viel dicker ist, den armen Kerl mit ihren Gurken.«
»Gut so! Weiter!« Valerius gönnte seinen Männern keine Pause. Sie mussten Castix finden. An der Porta Herae bestätigten ihnen die Wächter, dass die Tore seit einer halben Stunde geschlossen seien. Nein, sagten sie, sie hätten einen Mann, auf den die Beschreibung zuträfe, nicht gesehen. Aber was sie mit all den Leuten machen sollten, die draußen stünden und hereinwollten, oder mit denen, die drinnen stünden und herauswollten? Dabei zeigten sie auf eine lange Reihe von Männern und Frauen, die murrend vor dem Tor standen und die Wächter beschimpften.
»Sollen eben warten!«, gab Valerius kurz zurück und machte sich wieder auf den Weg.
***
Nach einer Stunde intensiven Suchens waren sie noch keinen Schritt weitergekommen. Auch die Befragung unzähliger Passanten hatte sie nicht weitergebracht. Niemand hatte den kahlköpfigen Straßenräuber gesehen. Die Sonne hatte sich inzwischen hinter tiefschwarzen Wolken versteckt, und erste kleine Regentropfen durchnässten die Suchenden. Nur wenig später ließ ein gewaltiger Donnerschlag die Stadt erzittern, Sekunden darauf ergoss sich ein ergiebiger kalter Regen über die Männer. Valerius
Weitere Kostenlose Bücher