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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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Sie ist die Augusta ! Julia Agrippina, Tochter des Volkshelden Germanicus, Enkelin des Agrippa wie des Tiberius, Urenkelin des göttlichen Augustus, Schwester des Caligula, Witwe des Claudius, Mutter des Nero. Jeder Zoll an der stolzen Frau weist auf die julisch-claudische Dynastie hin, das edelste Blut Roms. Hat nicht Gaius Julius Cäsar, ihr berühmter Urahn, immer mit Stolz auf seine göttliche Herkunft hingewiesen? Venus selbst, die aus Schaum geborene, liebreizende Göttin der Schönheit, war die Stammmutter dieses Geschlechts, das aus dem fernen Troia einst seinen Weg an die Gestaden Latiums fand.
    Abrupt werden die stolzen Gedanken beendet. Anicetus, Herculeius und Obaritus drängen sich in den Raum, die Vorhalle ist voller Bewaffneter. Mit kühlem Blick mustert Agrippina die Eindringlinge. Ihr Blick bleibt auf Anicetus haften.
    »Bist du gekommen, um mich zu besuchen, dann melde deinem Herrn, dass ich mich wohl befinde.«
    Sie macht eine kleine kunstvolle Pause und holt tief Luft, um dann, lauter als zuvor, zu sagen: »Kommst du aber als Henker, dann wisse, dass dieser Befehl niemals von meinem Sohn kommt!«
    Nach diesen Worten streckt sie sich auf der Liege aus wie zum Schlafe. Daraufhin versetzt ihr Herculeius wortlos mit dem Schwert einen ersten Schlag auf den Kopf. Halb betäubt schon und blutüberströmt, richtet sich Agrippina noch einmal auf, zerreißt das dünne Gewand über dem Unterleib und schreit: » Ventrem feri – in den Leib stoße, in den Leib, der Nero einst getragen hat!«
    Und Anicetus gehorcht. Er hebt das kurze Schwert. Kurz blinkt es im Schein der Wandfackel auf, zaubert für einen Moment einen blitzenden Strahl auf das blasse Gesicht des lächelnden Opfers. Dann treibt er sein Schwert mit einem mächtigen Stoß in den Leib Agrippinas.

XXVIII.
Das Dunkel lichtet sich
    April des Jahres 59 n.Chr.
    Von all den grauenhaften Dingen, die da im fernen Rom passiert sind, weiß man naturgemäß in Colonia Claudia Agrippinensium nichts, noch nichts. Hier gehen die Menschen ihren alltäglichen Arbeiten nach, seufzen über die letzte Preiserhöhung beim Bäcker oder ärgern sich darüber, dass der Eintritt in die Thermen unter dem neuen Pächter um ein As erhöht worden ist. Alle aber freuen sich darüber, dass der harte Winter vorbei ist. Ein fröhliches Schwatzen, Singen und Lärmen erfüllt die kleine Stadt am Rhenus. Die rußenden Kohlebecken, die warmen Mäntel und die dicken Beinkleider hat man in die hintersten Winkel des Hauses verstaut, und die Menschen geben sich ganz den Freuden eines strahlenden Frühlings hin.
    Aber es gibt auch Stellen in der Stadt, an denen nie ein wärmender Sonnenstrahl zu sehen ist, an denen Tag und Nacht Finsternis zu herrschen scheint. Der Keller des Prätoriums ist so ein Ort. Einige Fackeln, die in den Wandhalterungen stecken, tauchen das unheimliche Gewölbe in ein gespenstisches Licht. Hier werden Vorräte aufbewahrt, hier ruht vor allem in großen, in die Erde eingelassenen Tonamphoren der Wein und harrt seiner Reifung. So will man verhindern, dass der Wein trüb und schwach werden könnte. Freilich muss man in strengen Wintern ebenso Vorsorge vor dem Bodenfrost treffen, weshalb für diesen Fall große Kohlebecken bereitstehen. Denn dieser Ort gehört ohne Zweifel zu den kühlsten der Stadt. Tief in den Boden eingelassen, bestehen die Wände nur aus Lehm und Erde, nur mit Holzbalken an Decken und Wänden gestützt. Der feuchte Lehm aber schafft durchgehend Kühle, selbst im Sommer, weshalb man gerne hier alle möglichen Vorräte lagert, jedenfalls die, die die Feuchtigkeit nicht verdirbt.
    Aber manchmal lagern auch ganz andere Dinge hier!
    In der Mitte des Raums steht ein großer dunkler Eichentisch, auf dem sonst Sklavinnen Obst und Gemüse für die Lagerung vorbereiten. Was aber heute da liegt, ist für eine Lagerung weit weniger geeignet. Auf dem Tisch liegt die aufgeschwemmte nackte Leiche eines Mannes. Die seelenlosen Augen sind weit aufgerissen und scheinen klagend auf die Decke des Gewölbes zu starren. Auch der Mund steht weit offen, als wolle der Mann seine Qual herausschreien. Denn nicht nur sein Tod muss furchtbar gewesen sein, auch das, was fremde Hände mit seinem Leib inzwischen angestellt haben, wird er sich zu Lebzeiten kaum gewünscht haben. Mit einem vertikalen Schnitt ist der Oberkörper des Mannes geöffnet worden, weit klafft der Leib auseinander. Ein graues Tuch verdeckt den Unterleib. Das kleine Tuch, das über dem Kopf liegt, ist

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