Agrippina - Kaiserin von Rom
zur Latrina strebte.
»Du wirst Titus fehlen«, sagte Flavia leise, um dann kaum hörbar zu ergänzen, »und mir auch!«
Valerius stand auf und nahm sie vorsichtig in den Arm.
»So trügt mich mein Gefühl nicht, dass ...«
Sanft legte Flavia ihre Finger auf Valerius’ Lippen.
»Ich weiß, dass du noch Zeit brauchst, und du sollst sie haben. Wisse aber, wenn du zurückkehrst, werde ich zusammen mit Titus auf dich warten.«
Damit hauchte sie ihm einen zarten Kuss auf den Mund.
»Und nun muss ich mich um den Kleinen kümmern, schau nur, wie müde er ist!«
In der Tat gähnte Titus herzhaft. Lachend packte sie sich Titus, ohne auf sein Geschrei zu achten, und brachte ihn ins Haus. Maternus hatte die Szene aus der Ecke des Peristyls beobachtet und trat jetzt freudig bewegt näher.
»So ist es Recht, mein Freund. Und wenn du zurückkehrst, werden nicht nur Flavia und Titus auf dich warten. Auch ich werde auf dich warten. Und ich werde nicht allein sein. Mein Herr und Gott wird neben mir stehen und ebenso auf dich warten. Knie nieder, Marcus Valerius Aviola, ich will dich für deine gefährliche Mission segnen!«
Und als der Präfect sich niedergekniet hatte, legte ihm der Bischof seine Hände auf den Kopf und sagte: »Der Herr schütze und bewahre dich auf all deinen Wegen. Er helfe dir stets, das Rechte zu tun und dich vor dem Falschen zu hüten. Er möge dich wohlbehalten zurückführen in deine Heimat zu den Menschen, die dich lieben. Gehe hin in Frieden!«
***
Epilog
Agrippinas Tod
(nach Sueton, Leben der Cäsaren)
Er erdachte ein Schiff, das nicht seetüchtig war und auf dem sie durch Schiffbruch oder Einsturz der Kajüte umkommen sollte. Den Kapitänen, die die Kaisermutter mit einem Schnellsegler zu ihm gebracht hatten, erteilte er den Auftrag, den Segler wie zufällig bei einem Zusammenstoß zu havarieren; dann zog er das Festessen in die Länge und bot Agrippina, die wieder nach Baulum zurückfahren wollte, an Stelle des unbrauchbar gewordenen Seglers jenes heimtückische Gefährt an, begleitete sie mit heiterer Miene bis zum Strand und küsste sie sogar beim Abschied auf den Busen.
Den Rest der Nacht verbrachte er wachend in großer Ungeduld und wartete den Ausgang seines Unternehmens ab. Als er aber erfahren hatte, dass alles anders gekommen sei und sie sich schwimmend gerettet habe, wusste er sich nicht mehr anders zu helfen, als heimlich neben ihrem Freigelassenen Lucius Agerinus, der ihm voll Freude meldete, seine Mutter sei heil und unversehrt, einen Dolch fallen zu lassen, ihn wie einen von seiner Mutter gegen ihn ausgesandten Mörder zu verhaften und in Ketten zu legen. Seine Mutter aber ließ er durch Anicetus, seinen mörderischen Schergen, in ihrem eigenen Hause umbringen, als habe sie durch Freitod der Strafe für das entdeckte Verbrechen entgehen wollen.
Noch grässlichere Einzelheiten werden berichtet, und zwar von zuverlässigen Autoren: Nero sei herbeigeeilt, habe ihre bleichen Glieder betastet, das eine getadelt, das andere gelobt und zwischendurch, als er Durst bekam, getrunken.
Und doch, bei allen Glückwünschen, die er nach dieser schändlichen Tat erhielt, konnte er nie mehr die Gewissensbisse ertragen, die ihm jene Tat eintrug. Und oft gestand er später, dass er vom Geist seiner unseligen Mutter und den Geißeln und brennenden Fackeln der Furien umgetrieben werde. Ja, er versuchte sogar, durch ein von Magiern veranstaltetes Opfer den Geist der Abgeschiedenen zu versöhnen.
Auch während seiner Reise in Griechenland wagte er es nicht, an den Eleusinischen Mysterien teilzunehmen, wo durch Heroldsruf alle Unfrommen und Verbrecher von der Einweihung fern gehalten werden. So büßte der Unselige die schändliche Tat, aber die wahre Strafe sollte erst noch folgen ...
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