Agrippina - Kaiserin von Rom
Römer!«, schrie Castix voller Verachtung und spuckte dem Tribun vor die Füße, was ihm eine heftige Ohrfeige durch einen der Wächter eintrug. Der Kahlkopf bäumte sich auf und warf sich mit einem knurrenden Laut herum, aber die soliden Hanfstricke an Armen und Beinen gaben nicht nach.
Gaius Tullius hatte die Szene mit Widerwillen beobachtet, jetzt trat er an Valerius heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
»Bringt den Mann heraus, aber, bei allen Göttern, lasst ihn nicht noch einmal entkommen.« Er wartete ab, bis sein Befehl durchgeführt worden war, dann fixierte er Solidax mit scharfem Blick.
»Dir droht dasselbe Schicksal, Mann. Noch hast du Gelegenheit, es abzuwenden. Wenn ich recht informiert bin, hast du doch eine Frau und Kinder, nicht wahr?«
Solidax schien unter seinem Blick zu vergehen. Er wand sich vor Angst, Schweißperlen bedeckten seine Stirn und rannen unaufhörlich auf seine verschmutzte Tunica.
» Drei, Herr. Drei Kinder habe ich. Erbarmen, Herr, Erbarmen. Bei Juno, der mildtätigen Beschützerin der Familien, schickt mich nicht auf die Galeeren! Wer soll für meine Familie sorgen? Und mein Laden. Wer wird ...?«
»Schweig!« Abrupt unterbrach Valerius das Gestammel des Mannes. »Wenn du dir das Schicksal jenes Mannes ersparen willst, dann rede, aber tu es jetzt, denn meine Geduld neigt sich dem Ende zu. Sprich, wer war dein Auftraggeber? In wessen Auftrag hast du mich in deine armselige Hütte gelockt?«
Solidax schien einen Augenblick nachzudenken. Sein unsteter Blick wanderte durch den Raum.
»Und, und wenn ich rede, was ... äh, was passiert dann mit mir, Herr?«
»Das steht nicht in meiner Macht, aber so viel kann ich dir versprechen: Du wirst weder auf die Galeeren geschickt noch in die Arena gehen müssen!«
Ein Seufzer der Erleichterung entrang sich seiner schmalen Brust.
»Gib mir dein Ehrenwort als Tribun darauf, Herr!«
»Du hast es, aber nun rede!«
»Kann man mir vorher die Fesseln abnehmen, und ... und kann ich etwas zu trinken haben?«
Auch diese Bitten wurden gewährt.
Solidax massierte sein Handgelenk, an dem die Fesseln deutliche Spuren hinterlassen hatten. Er nahm einen tiefen Zug aus dem Wasserbecher. Dann sagte er ein Wort: »Pausanias!«
Valerius war völlig verblüfft und fragte nach: »Habe ich richtig gehört? Du nanntest den Namen Pausanias? Den alten buckligen Schreiber des Statthalters?«
Solidax nickte. »Von ihm erhielten wir den Auftrag, von ihm persönlich. Über die Hintergründe weiß ich nichts. Nun habe ich dir alles erzählt, kann ich jetzt gehen?«
Valerius war wie benommen. Die alte Kanzleikrähe sollte hinter diesen Anschlägen stecken? Unmöglich!
»Gehen? Nach Hause? Du scherzt. So schnell geht das nicht. Wir werden erst deine Angaben überprüfen. Solange wirst du unsere Gastfreundschaft genießen. Was hast du überhaupt mit Pausanias zu tun?«
»Von ihm erhielten wir den Auftrag, Castix zu befreien und danach zu verstecken, denn auch Castix handelte in seinem Auftrag, als er euch überfiel.«
Pausanias, Castix, Solidax, langsam begann sich der Kreis zu schließen, aber dahinter musste jemand anderes stehen. Pausanias konnte unmöglich alleine gehandelt haben ... Er fixierte den blassen Schuster mit einem scharfen Blick.
»Und du? Du bist wahrscheinlich Mitglied in seiner ... Bruderschaft?«
»Freilich bin ich das«, gab Solidax mit einem Anflug von Trotz zurück. »Wie hätte ich sonst meinen Laden führen können? Die einen von uns sind Mitglieder, die anderen zahlen. So ist das hier eben.«
Einen Augenblick lang blickte Valerius den Schuster nachdenklich an. Nervös trommelten seine Finger auf der Tischplatte. Wieder suchte seine Hand die Narbe an der Stirn, die ganz fürchterlich juckte. Vieles ging ihm durch den Kopf. Wie sollte ein kleiner Schreiber hinter dem Mordkomplott stehen? Oder handelte er gar in höherem Auftrag? Stand vielleicht sogar der Kaiser oder einer seiner mächtigen Vasallen dahinter? Die Liste, die Niger ihm gezeigt hatte, fiel ihm ein. Der unleserliche Name, der mit -s endete. Pausanias?
Dann war er zu einem Entschluss gekommen.
»Phaidon, Lucius, Celtillus, ihr kommt mit. Die anderen gehen wieder an ihre Arbeit zurück. Der Mann hier«, er wies auf Solidax, »bleibt vorerst unter scharfer Bewachung. Ebenso jener ... äh ... Avelix. Gaius, mein Freund, willst du mich begleiten?«
Gaius Tullius Eximius straffte seine gewaltige Gestalt. »Zum Statthalter?«
Valerius nickte. »Zum
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