Agrippina - Kaiserin von Rom
hier in Rom darfst du mit niemandem über deinen Auftrag sprechen, mit niemandem! Die Götter seien mit dir.«
Damit war Valerius entlassen. Er hob den Arm zum Gruß und verließ Narcissus. Im Vorraum legte er seine Waffen wieder an und machte sich auf den Weg in seine Kaserne.
II.
Agrippina, Kaiserin von Rom
Die Flure hatten sich inzwischen mit Senatoren, Rittern und Verwaltungsbeamten gefüllt, die alle eine Audienz beim Kaiser oder seinen Beratern erhofften. Ein diffuses Stimmengewirr erfüllte die Gänge. Viele der Wartenden kannte Valerius, und er grüßte sie freundlich. Plötzlich ergriff jemand rau seinen Arm und zog ihn zur Seite. Es war Afranius Burrus, der oberste Prätorianerpräfekt und damit sein unmittelbarer Vorgesetzter.
»Salve , Valerius. Auf ein Wort.«
Bevor der überraschte Tribun antworten konnte, zog Burrus ihn in einen halbdunklen, menschenleeren Seitengang und legte warnend die Finger auf die Lippen.
»Die Wände haben Ohren hier, komm mit!«
Schweigend gingen sie den Gang entlang und gelangten in den Südflügel des Palastes.
Hier hatte die Augusta ihre Gemächer, wie Valerius wusste. Ein Wachgardist, der die Kommenden sah, grüßte mit erhobenem Arm und trat schweigend zur Seite. Burrus öffnete die Tür, und Valerius betrat einen prachtvollen Raum: die Wände bunt gekalkt und mit Motiven aus der griechischen Mythologie bemalt, die Decken azurblau mit goldener Einfassung, der Fußboden mit herrlichen vielfarbigen Mosaiken geschmückt. In der Mitte stand ein imposanter Tisch, mit Reliefs und Figuren verziert, Beine und Füße kunstvoll gedrechselt, um ihn herum mehrere Stühle gleicher Machart, mit weichen Samtkissen belegt. Welch ein Kontrast zu den kargen Räumen des Kaisers!
»Warte hier!«
Burrus öffnete eine kleine Seitentür und kam wenig später in Begleitung einer stolzen, noch sehr jugendlich wirkenden Frau zurück. Julia Agrippina! Tochter des Germanicus, Enkelin des Agrippa wie des Tiberius, Urenkelin des göttlichen Augustus, Schwester des verhassten Caligula, Nichte und Ehefrau desregierenden Claudius. Jeder Zoll eine Vertreterin der julisch-claudischen Dynastie und – wie viele meinten – die einzige und wahre Herrscherin Roms.
Die Augusta schön zu nennen, wäre verfehlt gewesen. Sie war hoch gewachsen und schlank. Dunkelblonde, zu strenger Frisur aufgesteckte Haare umrahmten ein ernstes Gesicht mit großen, blassblauen Augen. Die schmalen Lippen des kleinen Mundes wirkten leicht verkniffen. Das energische Kinn, trotzig nach vorne geschoben, drückte Ehrgeiz und Herrschsucht aus. Ihre blassrote, weit dekolletierte Tunika betonte ihre weiblichen Rundungen ebenso wie die durchdringende Kälte, die diese zielstrebige Frau ausstrahlte.
Agrippina öffnete die schmalen Lippen zu einem dünnen Lächeln, trat auf Valerius zu und legte ihm wohlwollend die Hand auf die Schulter.
»Es ist sehr freundlich von dir, meinem Ruf Folge zu leisten«, sagte sie mit kräftiger Stimme. »Wir haben ein Problem, das wir mit dir besprechen wollen.«
Sie forderte Valerius auf, Platz zu nehmen, goss ihm aus einer gläsernen Karaffe etwas Wein ein und blickte ihn aufmerksam an.
»Du warst beim Cäsar, meinem Gemahl?«
Das war mehr eine Feststellung als eine Frage.
Valerius nickte.
»Er hatte einen Auftrag für dich, nicht wahr?«
Valerius räusperte sich. »Verzeih, edle Augusta, aber es ist mir nicht erlaubt ...«
»... darüber zu sprechen«, unterbrach ihn Agrippina, und der Anflug eines Lächelns zog über ihr strenges Gesicht.
»Deine Diskretion ehrt dich, aber du musst wissen, dass der Cäsar vor mir keine Geheimnisse hat. Im Gegenteil, den Auftrag, den er dir erteilte, hast du erhalten, weil ich ihn darum gebeten habe. Und wisse auch, dass ich diejenige war, die ihm deinen Namen vorgeschlagen hat. Der Cäsar hatte eigentlich einen anderen für diese heikle Mission ausgesucht, aber ich habe Burrus gefragt, welcher seiner Offiziere für besondere Diskretion bekannt ist.«
Sie warf einen kurzen Blick auf Burrus.
»So ist es«, ergänzte dieser schnell, »die edle Augusta hat ein besonderes Interesse an der Lösung dieses Falles. Ich hatte mir erlaubt, ihr eine kleine Empfehlung zu geben.«
»Es ist meine Stadt!« Die Stimme Agrippinas wurde lauter und etwas schrill.
»Meine Stadt – und ich dulde nicht, dass ihr Name durch diese Mordfälle befleckt wird. Du musst wissen«, ihre Stimme senkte sich wieder und nahm einen vertraulichen Klang an, »dass es mein Großvater
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