Ahoi Polaroid
stehen und fluchtartig die glühende Schweißhölle verlassen. Menschen, die sich auch noch in nacktem Zustand von anderen unterscheiden wollen. Vor allem über andere erheben müssen. Und zuletzt gibt es auch noch die in jeder Sauna verbreiteten Spanner. Etwa Männer, die schon lange keine nackte Frau mehr leibhaftig vor sich gesehen haben. Die in den meist weniger hochtemperierten Saunen endlich mal wieder auf ihre Kosten kommen wollen. Zumindest visuell. Aber da Plotek nun mal zu keiner dieser Spezies zählte, mied er Saunen wie ein Agoraphobiker Kaufhäuser. Außerdem, dachte er, kann man sich statt in eine Sauna genauso gut an einen Tresen setzen. Zum Beispiel an den im Froh und Munter . Da wird auch geschwitzt und geschwiegen. Aber man ist nicht schutzlos und nackt den Blicken der anderen ausgesetzt. Kann zudem noch Weißbier trinken, so viel man will.
Er öffnete also nur sehr widerwillig die Tür zur Sauna.
Vinzi stürzte sogleich auf Bruchmeier zu, der ihn mit großen Augen anstarrte, als wäre er nicht Vincent Angerer, frühpensionierter Krüppel mit Stasi-Vergangenheit, sondern James Bond. Mit Schwierigkeiten. Schwierigkeiten nämlich, die Plastikschnüre zu lösen, mit denen Bruchmeier an die Holzplanken gefesselt war.
»Versuch du doch mal!«, sagte Vinzi. Trat also Plotek doch in die ihm verhasste Sauna. Hätte er lieber sein lassen sollen. Es gelang ihm zwar, die Plastikschnur um Bruchmeiers Fußgelenke zu lösen. Deshalb war Bruchmeier aber noch lange nicht frei. Eher im Gegenteil. Als er sich nämlich gerade von der Holzbank erheben wollte, fiel die Saunatür zu. Sie ging auch nicht mehr auf. Offenbar war von außen ein Keil zwischen Tür und Boden geklemmt. Auch nach mehrmaligem Gegendrücken und Gegenwerfen, was zuerst Plotek versuchte, dann Vinzi, war nichts zu machen. Die Tür blieb verschlossen. Dafür tauchte im Bullauge ein Lachen auf. Das Plotek sofort erkannte. Es war dieses schöne Lächeln, offen und freudig. Auf das er in diesem Moment aber gerne verzichtet hätte. Klara Liebermann wiederum schien es zu genießen, die drei Männer eingesperrt in dieser Affenhitze durch das Glas hindurch zu betrachten. Sie winkte. Plotek winkte zurück. Dann war sie verschwunden.
Jetzt wäre natürlich eine Pistole gut gewesen. Eine Heckler & Koch vielleicht. Eine P30. So eine wie die von Swantje Schmitz. Die Vinzi bis vor kurzem noch in seiner Hand gehalten hatte. Mit so einer wäre es ein Leichtes gewesen, das Bullauge zu zerschießen, um dann irgendwie an den Keil zu gelangen. Aber keine Chance. Vinzi hatte die Pistole schlicht und einfach in Bruchmeiers Suite vergessen.
»Nur wegen dieses scheiß Analstöpsels und diesen verfluchten Analkugeln!«, fluchte Vinzi. Worauf es Bruchmeier so peinlich zumute wurde, dass er sein Gesicht hinter den Händen verbarg.
Plotek wiederum musste bei Analstöpsel einmal mehr an seine Prostata denken. Wobei dieses Mal kein Brennen in der Harnröhre zu spüren war. Vielleicht weil es momentan ziemlich egal schien, ob die Prostata vergrößert war oder nicht. Ob da langsam ein Karzinom ausgebrütet wurde oder nicht. In Anbetracht dieser völlig aussichtlosen Situation war ihm das vollkommen egal. So egal, dass Plotek einen seiner Schuhe auszog und mit dem Absatz gegen das Bullauge hämmerte. Aber auch das war aussichtslos. Außer dass er noch stärker ins Schwitzen kam, passierte nichts. Ließ er es eben wieder sein und setzte sich auf die Holzbank. Da begann er dann, einer plötzlichen Eingebung folgend, wie der Papst beim Ostersegen, nur hektischer, in alle Richtungen zu winken.
»Was soll das denn?«, fragte Hubertus C. Bruchmeier, so wie man fragt: »Haben Sie nicht mehr alle Tassen im Schrank?!«
»Wegen der Kameras«, antwortete Plotek. »Vielleicht ist hier ja auch eine versteckt, und irgendjemand sitzt vor einem Monitor und sieht uns zu.«
»Du meinst, dann wäre diese ganze Überwachungshysterie doch mal zu etwas nutze«, sagte Vinzi, obwohl er selbst nicht so recht daran zu glauben schien.
Hubertus C. Bruchmeier schüttelte nur den Kopf, als wäre er überzeugt, dass die beiden jetzt schon überschnappten. Nachdem nach fast einer Minute Winkerei gar nichts passiert war, ließ Plotek die Arme schließlich wieder sinken und überlegte, wie lange sie es bei einer derartigen Hitze aushalten konnten. Nun, die empfohlene Schwitzphase bei diesen Temperaturen lag bei acht bis fünfzehn Minuten. Bei den Saunaweltmeisterschaften in Finnland hatte es der Beste,
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