Ahoi Polaroid
feuchten Schmatzen aufging und der junge Mann in seinem zerknitterten Leinenanzug in der Öffnung erschien.
»Kann ich helfen?«, fragte er und schmunzelte. Das war jetzt keine Halluzination. Das war unbeabsichtigte Ironie, dachte Plotek. Er zeigte auf Vinzi.
Der Schriftsteller trat zu Vinzi, packte ihn wie ein Bündel Altpapier und schleppte ihn aus der Sauna. Sind die auch mal für etwas gut, dachte Plotek, diese Schriftsteller. Er kroch auf allen vieren raus aus dieser Hitze. Bruchmeier tat es ihm nach.
Draußen legte der Schriftsteller den bewusstlosen Vinzi im Massageraum auf die Pritsche. Während Plotek und Bruchmeier über den Waschbecken hingen und Wasser tranken wie verdurstende Kühe an einer Tränke, schlug der Schriftsteller so lange in Vinzis Gesicht, bis der wieder zu sich kam.
» Charlotte . . .«
»Wenn es Ihnen hilft, dürfen Sie mich so nennen«, sagte der Schriftsteller und lächelte.
Es war jetzt kurz nach halb acht am Morgen. Das Schiff hatte gerade den Hafen von Vadsø verlassen, die letzte Station vor Kirkenes, und war schon wieder auf der Barentssee unterwegs. Das Wetter hatte endlich ein Einsehen. Keine Wolke war mehr am Himmel. Die Sonne strahlte, als wäre nichts gewesen. Kein Regen, keine Morde, keine Liebermanns. Apropos: Von denen gab es keine Spur. Hatten sie in Vadsø das Schiff verlassen?
Der Schriftsteller benachrichtigte die Crew der MS Finnmarken. Auch den Kapitän. Der daraufhin eine Schippe zulegte. Damit die MS Finnmarken so schnell wie möglich nach Kirkenes gelangen konnte. Während Plotek, Bruchmeier und vor allem Vinzi von dem in Erster Hilfe geschulten Personal betreut wurden. Lauter Stewardessen und Stewards, die jetzt gar nicht mehr lächelten.
14
»Moment noch«, sagte Plotek, nachdem das Schiff eine gute Stunde später im Hafen von Kirkenes angelegt hatte, wo die Polizei, Krankenwagen und Notarzt schon warteten. »Ich habe noch kurz was zu erledigen.«
Bruchmeier ging es schon wieder erheblich besser. Vinzi dagegen hatte noch zwei weitere Anfälle und fiel dabei kurzzeitig erneut in Ohnmacht. Sein Zustand stabilisierte sich nur langsam. Den anderen Passagieren wurde der Zwischenfall verheimlicht. Was aber nur unzureichend gelang. Viele trieben sich tuschelnd auf den Decks herum.
Plotek klopfte an die Tür von Paula Vogler-Huths Kabine. So lange, bis diese schließlich öffnete.
»Ja?« Sie wirkte verschlafen. Auch missmutig.
»Ich wollte etwas abholen.« Plotek dachte, diese Andeutung müsste ausreichen, um ihr klarzumachen, worum es ging. Den Eindruck erweckte Paula aber ganz und gar nicht. Was natürlich gespielt war. Das erkannte Plotek sofort. Sogar ziemlich schlecht gespielt. Darin kannte er sich aus. Er lächelte wissend.
»Den Katheter. . .« Er versuchte ihr auf die Sprünge zu helfen. Auf ihrer Stirn bildeten sich Falten. Ihr Gesicht sah wenig kooperativ und kompromissbereit aus.
»Wie wollen Sie wissen, dass ich. . .« Und schon zu spät!, dachte Plotek und lächelte abermals. Paula schien ihr Fehltritt nun auch aufgefallen zu sein. Sie schaute noch bösartiger als sonst. Plotek griff in seine Hosentasche, nahm das Pralineneinwickelpapier heraus und hielt es Paula vor die Nase. Sie überlegte. Wobei die Falten verschwanden. Aber sie blieb stur.
Jetzt überlegte Plotek. Nicht lange, dann sagte er: »Muss sich der Staatsanwalt darum kümmern.« Paula schloss ohne ein weiteres Wort die Tür. Plotek blieb gelassen davor stehen. Er wartete. Ohne zu klopfen. Im Warten hatte er Übung. Jetzt wusste er sogar, worauf er wartete. Er wusste auch, dass das Warten nicht erfolglos sein würde. Es dauerte vielleicht eine Minute, dann öffnete sich die Tür ein weiteres Mal. Paula drückte Plotek wortlos den mit Geldscheinen gefüllten Katheter in die Hände. Dann schlug sie erneut die Tür zu.
»Danke!«, rief er mit der Gewissheit, dass er nicht nachzählen musste.
Anschließend ging er in seine Kabine. Er packte alles zusammen, und wenige Minuten später war er bereit zum Landgang, als ihm plötzlich siedendheiß einfiel, dass er beinahe etwas ganz und gar vergessen hatte. Oder besser: jemanden. Swantje!
Wenige Minuten später stand er zusammen mit zwei Polizisten vor der noch immer an Händen und Füßen gefesselten nackten Swantje in der Kabine. Sie hatte nach wie vor eine Socke im Mund. Vom Flur aus versuchte auch der Schriftsteller einen Blick zu erhaschen, wer wollte es ihm verübeln? Auch die Polizisten schienen von dem Anblick erfreut, zum einen.
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