Akasha 02 - Der Attentäter
Wenn sie vollkommen überschnappte und in der Enge des Bunkers den Laser oder gar den Destruktor abfeuerte, konnte das sehr unangenehme Folgen haben.
Die Frau zog an einigen Hebeln, und durch ein Fenster aus zerkratztem Metallplast war zu sehen, wie Pestizidwolken durch den Aggregatesaal wallten.
»Ha!« machte Alinde Tergentag. »Ha! Das Gift bringt sie um, jawohl. Aber trotzdem versuchen sie es immer wieder. Sie kriechen in den Saal, um mich auszuspionieren.« Sie sah Lonnen aus weit aufgerissenen und blutunterlaufenen Augen an. »Durch mehr als zehn Habitate haben mich die Dämonenspinnen verfolgt.«
»Warum denn?« fragte der Kakerlakenjäger, dessen Unbehagen immer mehr zunahm.
Tergentag sah sich um und flüsterte: »Weil ich ihr Geheimnis kenne. Ja. Ich weiß, auf was sie aus sind. Und deshalb wollen mich die Dämonenspinnen töten.«
»Was ist das denn für ein Geheimnis?«
»Das«, sagte Alinde und lächelte, »kann ich Ihnen nicht verraten. Sonst wäre es ja kein Geheimnis mehr.«
Das klang zwar logisch, fand Lonnen, aber er konnte sich trotzdem des Eindrucks nicht erwehren, daß es dieser Schlußfolgerung an einem rationalen Hintergrund mangelte. Er blickte durch das Fenster, betrachtete die Giftnebel und wünschte sich an einen anderen Ort. Für einen Sekundenbruchteil schien das Bild vor seinen Augen zu verschwimmen, und er sah einen Tunnel, der durch das Grün eines Dickichts führte, eine borkige Halbkugel, die von kleinen Gravitatoren getragen dahinschwebte, eine zerfetzte Brust und jemanden, der ihn verfolgte, während er durch den Schwerkraftschacht in Richtung der Klimakontrollmoduln glitt. Aber die Farben dieser Szene verblaßten sofort wieder.
»Haben Sie schon einmal eine Dämonenspinne gesehen?« fragte Alinde Tergentag im Tonfall eines Verschwörers.
Er schüttelte stumm den Kopf.
»Sie sind groß, einfach riesig, phänomenal gewaltig. Sie verstecken sich natürlich die meiste Zeit über, sonst wäre ihre Existenz ja längst bekannt geworden. Sie beherrschen die kleineren Spinnen, die ganz normal aussehen, und sie schicken sie überall hin, um alle möglichen Leute zu beobachten und sicherzustellen, daß ihr Geheimnis nicht gelüftet wird.«
Broderic Lonnen seufzte und dachte an den Kakerlakenkönig. Spinnen interessierten ihn nicht.
»Ekelhaft sind sie, jawohl«, ereiferte sich die Tergentag. »Einfach abscheulich und widerwärtig. Sie verbergen sich in alten und vergessenen Wartungskammern, und sie treiben ihr Unwesen insbesondere in den verlassenen Habitaten. Und ich bin die einzige, die gegen sie kämpft, jawohl.« Stolz hob die verdreckte Frau den Kopf. »Und ich gebe nicht auf, nein, niemals. Bis zum letzten Atemzug werde ich den Dämonenspinnen Widerstand leisten.« Sie beugte sich vor, und Lonnen versuchte vergeblich, ihren nach einer Kloake stinkenden Atem zu ignorieren. »Wissen Sie, sie versuchen, die Herrschaft über ganz Akasha an sich zu reißen. Jawohl, Sie können mir glauben. Nichts geringeres als das. Es ist ein Komplott, jawohl. Hm«, fügte sie nachdenklich hinzu, »ich hoffe noch immer, eines Tages den Schlupfwinkel der Königin aller Dämonenspinnen zu entdecken. Sie ist es nämlich, die das Heer dieser ekligen Biester befehligt, und wenn ich sie gefunden und getötet habe ...« Mit der Handkante strich sie sich am verschmutzten Hals entlang.
Broderic Lonnen war inzwischen zu dem Schluß gelangt, daß Alinde Tergentag nicht nur hochgradig paranoid war, sondern auch vollkommen irre. Es gab keine Dämonenspinnen – in diesem Punkt war er sich ganz sicher –, und wer dennoch an sie glaubte und sich so verhielt wie diese Frau, mußte vollkommen verrückt sein. Aber die letzte Bemerkung der Tergentag hatte dennoch sein Interesse geweckt.
»Ich bin davon überzeugt«, erwiderte er vorsichtig, »Sie täuschen sich. Es gibt tatsächlich ein Komplott, dessen Ziel die Machtübernahme in ganz Akasha ist – da stimme ich Ihnen zu –, aber es sind nicht etwa die Dämonenspinnen, die dahinterstecken, sondern die Kakerlaken.« Er machte eine bedeutungsschwangere Pause.
»Kakerlaken?« hauchte Alinde Tergentag verwundert.
»Genau!« Broderic Lonnen wanderte unruhig hin und her. »Vielleicht haben Sie schon einmal welche gesehen. Große Käfer sind es, mit langen Fühlern und Flügeln und großen Freßkiefern. Fast überall treiben sie sich herum, und ein ganz spezielles Vergnügen finden sie daran, in Lebensmittelfabriken einzudringen und sich über die dortigen
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