Akte X
gebührendem Abstand von den Ruinen aufgeschlagen. Sie sind keine zivilisierten Leute wie Sie und ich... sie versuchen nicht einmal, so zu tun, als wären sie es.«
»Aber sind nicht einige von diesen Arbeitern hiergeblieben, um den Archäologen zu helfen?« drängte Scully mit erhobener Stimme auf eine Antwort. »Irgend jemand muß doch etwas wissen.«
»Señorita Scully, ich habe das Archäologenteam nach Xitaclan geführt, wofür man mir eine Menge amerikanisches Geld bezahlt hat – und ich bin sehr dankbar dafür. Diese Indios, Nachkommen der Maya, sagen, nachdem ich gegangen sei, habe es hier viel Lärm gegeben und es seien seltsame Dinge passiert. Señorita Rubicon und ihre Freunde haben nicht auf die Warnungen der Indios gehört und sich über ihren dummen Glauben lustig gemacht... trotzdem brachten sich alle Helfer in Sicherheit. Und jetzt sagen sie, daß die Götter gezeigt haben, wer dumm und wer klug ist.«
»Das war ja so eine Art übernatürlicher IQ-Test«, murmelte Mulder.
Aguilar kramte in seiner Tasche nach Papier und Tabak, um sich eine neue Zigarette zu drehen. Ein prächtiger, grün gefiederter Vogel flog über die Plaza und ließ seinen dünnen, melodischen Ruf ertönen. Sofort unterbrachen die Indios ihre Arbeit, deuteten wiederholt hinauf und tauschten erstaunte Bemerkungen aus.
»Sehen Sie, ein Quetzal«, sagte Aguilar nickend. Er nahm seinen Ozelotfellhut ab, um seine Augen gegen das schräg einfallende Morgenlicht abzuschirmen. »Sehr kostbar. Die Maya verwendeten Quetzalfedern für viele ihrer zeremoniellen Gewänder.«
Rubicon runzelte die Stirn und sah sich um, als könne er bereits so irgendeine Spur von seiner Tochter entdecken. Mit wachsender Ungeduld wandte sich Mulder an Aguilar. »Wissen Ihre Leute nun, was mit Cassandra geschehen ist, oder nicht?«
Aguilar zuckte die Achseln. »Als ich aufbrach, um nach Cancuen zurückzukehren, war Señorita Rubicon in Sicherheit und freute sich auf die Arbeit in Xitaclan... Das ist alles, was ich weiß.«
»Dann machen wir uns auf die Suche«, sagte Scully energisch.
»Diese Ruinen können sich etwa eine Meile weit erstrecken.« Rubicon streckte seine Arme aus. »Mit separaten heiligen Stätten und Tempeln, die durch die dichte Vegetation voneinander getrennt wurden.«
»Sagen Sie den Einheimischen, wonach wir suchen«, schlug Scully vor. »Vielleicht können sie uns helfen, das Gelände zu durchkämmen.«
Aguilar gab die Information weiter, und die Indios zerstreuten sich im Dschungel, um die eingestürzten Ruinen sorgfältig zu durchsuchen. Dabei redeten sie aufgeregt durcheinander, während der Ausdruck ihrer Gesichter zwischen tiefem Unbehagen und wirklichem Eifer schwankte.
Scully, Mulder und Rubicon wanderten durch Xitaclan, gingen der Länge nach an der überwucherten Ballspielarena entlang, stocherten in Alkoven und Nischen herum, suchten nach Spuren, Leichen, vergessenen Werkzeugen – einem Zettel mit der Nachricht: Bin in fünf Minuten wieder da.
»Das Team bestand aus einem Techniker, zwei Archäologen, einem Experten für Hieroglyphen und einer Fotografin. Ein richtiger Survivalspezialist war nicht dabei.« Scully musterte die knorrigen Bäume, die niedrigen Palmen, das undurchdringliche Lianengewirr, das von den Ästen herabhing. Über allem brannte die gnadenlose Sonne. »Selbst wenn ihnen alle Helfer davongelaufen sind, kann ich mir immer noch nicht vorstellen, daß Cassandras Team versucht haben könnte, sich auf eigene Faust durchzuschlagen. Wir haben es doch in den letzten Tagen selbst erlebt: ohne Führer wäre man dieser grünen Hölle völlig ausgeliefert.«
»Cassandra war durchaus in der Lage, sich in der Wildnis zurechtzufinden«, erwiderte Rubicon nicht ohne Stolz. »Sie hatte topographische Karten und eine Menge gesunden Menschenverstand.«
Scully senkte ihre Stimme. »Ich habe gestern abend die Karten studiert, und ich bin nicht ganz sicher, daß uns unser Freund Aguilar auf dem direktesten Weg hierhergebracht hat. Ich glaube, er könnte uns aus irgendeinem Grund einen Umweg geführt haben.«
»Ich traue ihm auch nicht«, murmelte Mulder, »aber er wirkt auf mich eher wie ein schmieriger Gebrauchtwagenverkäufer und nicht wie ein echter Krimineller.«
»Bedenken Sie, daß dies eine rauhe Gegend ist, Agent Mulder«, wandte Rubicon ein. »Wenn die Indios Cassandra und ihre Freunde allerdings tatsächlich im Stich gelassen haben, dann war es nur eine Frage der Zeit, bis sie aktiv werden mußten. Sie mußten
Weitere Kostenlose Bücher