Akte X
überwuchert waren. Stephens und Catherwood wußten nichts über die Geschichte der Maya, und als sie die einheimischen Indios nach den Erbauern fragten, zuckten die nur die Achseln.
Diese beiden Herren unternahmen noch mehrere Reisen nach Mittelamerika und besuchten Dutzende von verfallenen Städten. Gemeinsam veröffentlichten sie sehr erfolgreiche Schilderungen ihrer Abenteuer, zu denen Stephens seine beredsamen Tagebücher und Catherwood seine schönen Illustrationen beisteuerte. Ihre Bücher entfachten ein großes Interesse an der Archäologie – äh, ob das nun gut oder schlecht ist.
Doch sie mußten einen Preis dafür zahlen – besonders Catherwood. Er schien unter einem Fluch zu stehen. Er steckte sich mit Malaria an und litt immer wieder unter Fieberschüben. Sein Bein wurde steif von geschwollenen und infizierten Insektenstichen. Sein linker Arm wurde fast vollständig gelähmt. Er mußte von Indios auf den Schultern getragen werden, da er nicht in der Lage war zu laufen. Doch schließlich erholte er sich wieder und kehrte zurück, um seine Gemälde in New York auszustellen. Dann brach ein Feuer aus, und eine ihrer größten Ausstellungen wurde vernichtet – Catherwoods Bilder ebenso wie eine Vielzahl spektakulärer Kunstgegenstände, die sie aus dem Land der Maya mitgebracht hatten.«
Scully schüttelte den Kopf. »Was für ein Verlust.«
Rubicon starrte ins Lagerfeuer. »Jahre später, als Catherwood auf dem Rückweg von einer weiteren Expedition war, ertrank er auf hoher See, als sein Schiff mit einem anderen zusammenstieß. Pech... oder ein Fluch der Maya – je nachdem, was Sie glauben wollen.«
Aguilar, der etwas abseits hockte, hatte etwas im Mund, das beim Kauen hörbar knackte. Mulder glaubte, zappelnde schwarze Beine zu sehen, als der Führer einen weiteren Bissen zwischen die Zähne nahm.
»Eine gute Geschichte, Señor«, sagte Aguilar genüßlich schmatzend. »Aber der Fluch war nicht stark genug, um die Flut von weißen Abenteurern wie Ihnen aufzuhalten, eh?«
»Oder wie meine Tochter...« Rubicon ließ den Kopf noch tiefer sinken.
Scully stand auf, um sich zu strecken und die Krümel von ihren Beinen zu wischen. »Ich denke, wir sollten uns hinlegen und versuchen, etwas Schlaf zu bekommen... Sonst fangen Sie gleich noch an, Gespenstergeschichten zu erzählen.«
»Gute Idee«, erwiderte Rubicon wieder etwas munterer. »Wir sollten beim Morgengrauen aufstehen und mit der Suche nach Spuren von Cassandras Team beginnen.«
Mulder kratzte sich am rechten Nasenflügel. »Tja, dann wird die Geschichte von den knutschenden Teenagern wohl warten müssen.«
Mitten in der Nacht erwachte Mulder von einem Rascheln, das nach einem kriechenden Wesen klang. Ganz in der Nähe... zu nahe. Er rieb sich die Augen, dann setzte er sich auf und lauschte angespannt.
Er war sicher, daß er da draußen etwas hörte. Etwas, das sich über die Plaza bewegte... vielleicht ein großes Raubtier, das auf der Suche nach einer leichten Beute heranschlich. Die Stoffwände seines Zeltes waren zu dünn, um ihm ein Gefühl der Sicherheit zu geben.
Vorsichtig beugte sich Mulder vor und teilte die Bahnen des Moskitonetzes, um die Öffnungsklappe des Zeltes zu erreichen. Aus Versehen stieß er an das Zelttuch, erstarrte und lauschte – doch das Geräusch draußen war nicht mehr zu hören.
In seiner lebhaften Phantasie sah Mulder ein großes, fleischfressendes Monster aus dem Dschungel, einen prähistorischen Höhlenbewohner, der sich in der Zeit verirrt hatte und nun witternd in die Richtung des Geräusches starrte, das Mulders Ellbogen auf der Zeltwand erzeugt hatte. Er schluckte und zog ganz langsam die Öffnungsklappe auf, um seinen Kopf hinaus in die Nachtluft zu stecken.
Der helle Dreiviertelmond hatte gerade wie ein halb geschlossenes Auge seinen Aufstieg begonnen und warf sein fahles, wäßriges Licht über die Baumwipfel. Dicke Wolken zogen über den Himmel und verschluckten bisweilen die matt schimmernde Scheibe.
Die Zelte waren neben den verwitterten Stelen errichtet worden, um die sich wie ein furchterregender Hüter das Abbild der gefiederten Schlange zog. Die höhere Stele stand ein wenig schief, und ihr Schatten fiel verschwommen auf die aufgeworfenen Steinplatten der Plaza.
Draußen im Dschungel schien die Linie der skelettartigen Bäume und des schwarzen Pflanzengewirrs unbewegt und still zu liegen. Um diese Zeit, mitten in der Nacht, hielten sich selbst die nachtaktiven Tiere zurück und warteten.
Dann... hörte
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