Akte X
archäologischer Sicht durchaus naheliegend.« Rubicon nickte eifrig. »In diesen tiefen Zisternen erhalten sich die Artefakte viele Jahrhunderte lang. Ja, sie wollte bestimmt da hinunter, meine Cassandra – genau wie Thompson.«
Mit wedelnden Handbewegungen verscheuchte Scully eine Stechmücke. »Wer war Thompson? Ich erinnere mich an kein Teammitglied, das so hieß.«
Rubicon wurde aus seiner Konzentration aufgeschreckt und blickte von den verwitterten Kisten auf. »Wer? Ach, Thompson – nein, ich meinte Edward Thompson, den letzten der großen Amateurarchäologen hier auf Yucatan. Er hat Jahre damit verbracht, die Cenote in Chichen Itza zu studieren, wo er die größte einzelne Schatzkammer mit Maya-Artefakten fand, die je entdeckt wurde.«
Skeptisch hielt Mulder den schlaffen Ärmel des Taucheranzugs aus gummiertem Segeltuch empor. »Er ist in einen dieser tiefen Opferbrunnen hinabgetaucht?« Mit dem Kinn deutete er zur Plaza und der großen Pyramide zurück.
»Ah, nicht zu Anfang.« Rubicon schüttelte den Kopf. »Er verbrachte Jahre damit, darin herumzufischen, indem er einen gußeisernen Eimer zum Boden hinabließ und mit Schlamm gefüllt wieder heraufzog, den er dann durchsuchte. Er fand Knochen und Textilien und Jade, mehrere intakte Schädel – von denen einer als zeremonielles Räuchergefäß verwendet worden war und immer noch nach Parfüm roch.
Doch nach einer Weile kam Thompson zu dem Schluß, daß. mit der unbeholfenen Schöpfkelle nicht soviel zu bewerkstelligen war wie mit einem Taucher, der vor Ort arbeiten konnte. Er hatte diese Möglichkeit eingeplant, als er seine ursprüngliche Expedition startete, und hatte die Ausrüstung bereits gekauft und das Tauchen gelernt. Er brachte seinen vier indianischen Helfern bei, wie man die Sauerstoffpumpen und Winden bedient.«
Rubicon blickte auf den Taucheranzug hinab, den seine Tochter hatte tragen wollen, und schien ein Schaudern zu unterdrücken. »Als Thompson in die Cenote eintauchte, winkten die Indios ihm ernst zum Abschied zu, da sie sicher waren, ihn nie wiederzusehen. Nach seinen eigenen Worten sank er ›wie ein Sack voller Blei‹ neun Meter tief in so finsteres Wasser hinab, daß selbst seine Taschenlampe wenig nutzte. Auf dem Boden suchte er nach wertvollen und weniger wertvollen Relikten – Münzen, Jadestücke, Skulpturen, Gummigegenstände.
Doch trotz seines gepanzerten Taucheranzugs erlitt Thompson bei seinen Tauchexpeditionen schwere Gehörschäden. Die Einheimischen allerdings betrachteten ihn von nun an mit Ehrfurcht – er war der einzige Mensch, der jemals in die heilige Cenote hinabgetaucht war und überlebt hatte.«
Scully nickte. »Und Sie glauben, daß Ihre Tochter seinem Beispiel folgen und die Cenote von Xitaclan erforschen wollte...«
Mechanisch wischte sich Mulder herabperlende Schweißtropfen von der Stirn und betrachtete die Ausrüstung in der Kiste noch einmal genauer. »Sieht nicht so aus, als ob sie Gelegenheit gehabt hätte, den Anzug zu benutzen. Der Garantieaufkleber des Herstellers ist noch drauf.«
»Sie wurde davon abgehalten, ihre Nachforschungen zu beenden«, schloß Rubicon.
Mulder bemerkte, wie Fernando Aguilar dem Indio einen letzten wütenden Blick zuwarf. Der Mann wandte sich mit hängenden Schultern ab.
»Ja.« Mulder sah Rubicon direkt in die Augen. »Aber wer... oder was hat sie davon abgehalten?«
Gemeinsam erstiegen sie die Stufen der zentralen Pyramide des Kukulkan und kämpften sich keuchend die steilen Kalksteintreppen empor.
»Vorsicht«, warnte Mulder. »Die Steine sind zum Teil brüchig.«
Rubicon bückte sich, um die verwitterten Stufen selbst zu inspizieren, und deutete auf vor kurzem gereinigte Schnitzereien, wo das Moos entfernt und Schmutz und Kalksteinsand aus den Rillen gebürstet worden waren.
»Sehen Sie, Cassandras Team hat die ersten zwölf Stufen freigelegt. Wenn ich diese Glyphen lesen könnte, könnten wir herausbekommen, warum die Maya Xitaclan erbaut haben und was diesen Ort zu einer so heiligen Stätte macht.« Mit verzerrtem Gesicht richtete er sich auf und preßte eine Hand gegen die Lendenwirbel. »Aber ich bin kein Experte auf diesem Gebiet. Davon gibt es nur wenige... Maya-Glyphen sind unter allen geschriebenen Sprachen der Menschheit mit am schwierigsten zu entziffern. Darum hat Cassandra auch einen eigenen Epigraphiker mit ins Team aufgenommen.«
»Ja«, bestätigte Scully, »Christopher Porte.«
Rubicon zuckte die Achseln. »Wie ich höre, ein sehr guter Mann.«
»Schauen
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