Akte X
aber Mulder spürte, daß in ihnen eine Bedeutung verborgen lag, die er noch nicht erfassen konnte. Er hörte auf zu packen und wartete.
»Ich habe... es aus Überzeugung getan.« Skinner sprach langsam, stockend und zögernd, als erforsche er zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder seine eigenen Gefühle. »Ich habe es getan... weil ich glaubte, daß es richtig sei. Vielleicht glaube ich das sogar immer noch... ich weiß es nicht genau.«
Mulder fühlte sich gegen seinen Willen seltsam berührt von Skinners Worten. Er versuchte, seine Gefühle zu verbergen, indem er ein Buch aufschlug und es durchblätterte, ohne die Seiten wirklich zu sehen. Aber er hörte weiter zu.
Skinners Augen schienen in weite Ferne zu blicken.
»Ich war drei Monate in Vietnam«, fuhr Skinner fort, »als ein etwa zehn Jahre alter Junge in unser Lager kam, der am ganzen Körper Granaten trug. Und ich... habe ihm aus kaum zehn Metern Entfernung den Kopf weggepustet.«
Er zögerte und seufzte. »Ich verlor meinen Glauben. Nicht an mein Land oder mich selbst... einfach an alles. Es ergab einfach alles keinen Sinn mehr.«
Obwohl Mulder ihm mittlerweile gebannt lauschte, vermied es Skinner, ihn anzusehen. Er hatte den Blick auf den Boden gerichtet, als schäme er sich seiner Worte. »Eines nachts gerieten wir auf einer Patrouille in einen Hinterhalt. Es erwischte uns... alle. Jeden einzelnen von uns.«
Nach einer Weile hob er wieder den Kopf, als hoffte er auf Verständnis. »Ich blickte... auf meinen eigenen Körper hinab. Zuerst begriff ich nicht, daß ich es war, bis ich sah, wie die Vietcong mir die Uniform auszogen und mir die Waffen abnahmen. Ich blieb im dichten Dschungel zurück. Alles war friedlich, ich hatte keine Angst. Ich hielt Wache über meine toten Kameraden und... über mich selbst.«
Er sprach jetzt schneller, als habe er den schlimmsten Teil bereits hinter sich gebracht. Vielleicht war es tatsächlich so, denn jetzt schaute er Mulder wieder direkt an. »Am Morgen fanden uns die Sanitäter. Sie wollten mich gerade in einen Leichensack stecken, doch dann... ich schätze, sie fühlten einen schwachen Puls. Ich weiß es nicht. Zwei Wochen später bin ich in einem Krankenhaus in Saigon wieder aufgewacht.«
Skinner musterte Mulder nachdenklich. »Ich habe Angst, mich tiefer mit diesem Erlebnis zu befassen, Agent Mulder. Sie... Sie kennen diese Angst nicht.« Er schwieg einen Moment lang. »Ihre Kündigung ist inakzeptabel.«
Er warf einen flüchtigen Bück auf das zerrissene Kündigungsschreiben und starrte Mulder lange in die Augen, bevor er sich umdrehte und energisch zur Tür ging. Jetzt war er wieder Assistant Director Walter Skinner. Der verängstigte junge Marine, der etwas erlebt hatte, was er nicht verstehen konnte, nicht verstehen wollte, war wieder im Dunkel seiner verdrängten Erinnerungen verschwunden.
Kurz bevor Skinner die Tür erreichte, fand Mulder die Sprache wieder. »Sie... Sie haben mir die Adresse des Krebskandidaten gegeben.«
Skinner blieb stehen, vergrub die Hände in den Hosentaschen, drehte sich halb herum und starrte an die Decke.
»Sie haben Ihr Leben riskiert«, sagte Mulder.
»Agent Mulder, jedes Leben ist in Gefahr... jeden Tag«, erwiderte Skinner. »Das liegt nun mal in der Natur der Sache.«
Er zögerte noch einen Augenblick lang, dann machte er endgültig kehrt, verließ das Büro, ohne sich noch einmal umzudrehen, und schloß leise die Tür hinter sich.
Mulder blieb reglos stehen und lauschte Skinners Schritten, die langsam im Korridor hinter der Tür verklangen. Irgendwann wurde ihm bewußt, daß er immer noch das Buch in den Händen hielt. Er legte es zu den anderen in den Karton.
9 FBI-Zentrale Washington D.C. Tiefgarage
Es war Nacht geworden, und das Treppenhaus, das zur Tiefgarage hinunterführte, wurde nur von ein paar vereinzelten schwachen Lichtern notdürftig erleuchtet. Mulder schleppte sich müde die Stufen hinunter, den Karton mit seinen Sachen in beiden Händen. Er hatte gerade die Tiefebene erreicht, als er im Schatten eine Bewegung bemerkte. Mulder zuckte zurück, ließ den Karton fallen, erkannte dann das angespannte Gesicht von X und entspannte sich wieder.
X trat auf ihn zu und hob die rechte Hand, in der er einen blauweißen Umschlag hielt. »Hier ist Ihr Flugticket«, sagte er.
»Aber wir haben uns doch gerade erst kennengelernt.« X ignorierte Mulders Anflug von Humor. »Ich kann Ihnen nicht sagen, warum sie entführt wurde... Das würde
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