Akte X Novel
Das ist ein Hakenkreuz."
„Auch als Gammadion oder Vierfoß bekannt. Es ist ein altes Glücks- oder Schutzsymbol, das seit dem Mittelalter in verschiedenen Kulturen verwendet wurde ..."
„Und?" hakte Scully nach.
„Der Sohn der Holveys hatte gestern abend eines auf dem Handrücken. Ich vermute, die alte Dame hatte es ihm aufgemalt. Um den Jungen zu beschützen."
„Sie haben recht. Ich habe sogar gesehen, wie sie es gezeichnet hat."
„Fanden Sie das nicht merkwürdig?" fragte Mulder, der überrascht war, daß Scully diese Beobachtung anscheinend nicht für wert befunden hatte, sie ihm mitzuteilen.
„Nein. Ich glaube, dieser Junge braucht allen Schutz, den er kriegen kann. Aber nicht vor Gespenstern oder Monstern. Schauen Sie sich das hier an!"
Scully begegnete Mulders Buch des Aberglaubens, indem sie ihm die erste ihrer beiden Akten reichte. Teddy Holveys Krankenakte. Harte, wissenschaftliche Fakten. Mulder griff danach und sah seine Partnerin fragend an.
„Haben Sie schon mal vom Münchhausen-Syndrom gehört?"
„Ja", grinste Mulder. „Das hat mein Großvater immer für seinen Magen genommen."
Scully ignorierte die Bemerkung. Sie lachten selten zusammen, und Mulder versuchte oft gar nicht erst, einen Scherz zu machen. Vielleicht war er unbewußt sogar erleichtert darüber, daß dies offenbar keine X-Akte war, dachte Scully. Sie war überzeugt, daß es eine weitaus alltäglichere, wenn auch ausreichend unerfreuliche Erklärung gab.
„Das ist, wenn Eltern oder Familienangehörige einem Kind medizinische Symptome einreden", fuhr sie fort, „um mehr Aufmerksamkeit oder Zuwendung zu erlangen. Wenn Sie sich Teddy Holveys Krankengeschichte ansehen, werden Sie feststellen, daß er während der zwei Jahre seines Lebens zehnmal in verschiedene Krankenhäuser eingeliefert wurde. Das bedeutet etwa alle zweieinhalb Monate."
Mulder schlug die Akte auf und las laut daraus vor, während er sie durchblätterte: „Stoßartiges Erbrechen mit drei Monaten, Durchfall mit vier Monaten, Erbrechen, Durchfall, wieder Durchfall. . ." „Und nie ist es gelungen, die Ursache der Erkrankung zu bestimmen", betonte Scully, zuversichtlich, die richtige Spur gefunden zu haben.
„Und das hat niemanden gewundert?" fragte Mulder, der beeindruckt war, wenn dies auch nicht die Erklärung war, die er im Sinn hatte.
„Nun, die Familie ist wegen Steves Tätigkeit sehr häufig umgezogen. Es dauert eine Weile, bis die Akten von einem Krankenhaus ans andere weitergegeben werden - aber diese Art von Mißhandlung ist meist nicht nur auf ein Kind beschränkt, und deshalb habe ich auch Charlies Krankengeschichte überprüft."
Während sie sprach, reichte Scully Mulder die zweite Akte. Als er sie aufschlug, war er bereit zu glauben, daß Scully diesmal wirklich eine überzeugende wissenschaftliche Erklärung gefunden hatte. Vielleicht war dies wirklich keine X-Akte ...
„Charlie hatte auch gesundheitliche Probleme?" fragte er.
„Seit der Geburt seines Bruders", bestätigte Scully. „Genau von dem Zeitpunkt an, als Holveys Schwiegermutter zu ihnen gezogen ist."
Mulder sah die Akte durch, registrierte die Daten, und auf seinem sonst so leidenschaftslosen Gesicht machte sich Sorge breit.
„Beim Münchhausen-Syndrom sieht der Täter das Kind oft als böse an. Die alte Frau wäre eine wahrscheinliche Kandidatin. Aber es könnte auch jedes andere Mitglied der Familie sein."
Mulder nickte. Das mußte auf jeden Fall überprüft werden.
„Haben Sie Lust auf einen Spaziergang zum Außenministerium, Scully?"
Steve Holveys Büro hätte sich nirgendwo anders befinden können als im Außenministerium. Die holzvertäfelten Wände, die Plaketten, die an Dienstzeiten in anderen Ländern erinnerten, die roten Plüschsessel und die aufgeräumten Aktenschränke bildeten einen starken Kontrast zu Mulders chaotischem Büro beim FBI. Steve Holvey saß hinter seinem Schreibtisch und gab sich alle Mühe, die Antworten zu finden, nach denen Mulder und Scully suchten. Sonnenlicht stach durch die geschlossenen Jalousien hinter ihm und spiegelte sich in den Besucherausweisen, die die beiden FBI-Agenten trugen.
„Es gab schon ... Merkwürdigkeiten, seit Golda - meine Schwiegermutter - zu uns gezogen ist", sagte Steve zögernd. „Ich habe Maggie 1984 in Rumänien kennengelernt. Golda verbot uns die Hochzeit. Sie meinte, ich wäre der Teufel ... Nachdem ich wieder in den Vereinigten Staaten war, wurde es etwas besser. Bis
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