Akunin, Boris - Pelagia 01
so weit gekräftigt, um sich im Bett aufzusetzen. Der Bischof schob ihr ein Kissen in den Rücken.
»Wir haben drei Verbrechen, die eindeutig miteinander zu tun haben: Zuerst wurden Vater und Sohn Wonifatjew ermordet, dann Arkadi Poggio, dann Naina Telianowa und ihr Dienstmädchen«, erklärte Pelagia. »Aus den schon genannten Gründen gehört Bubenzow in allen drei Fällen zu den Verdächtigen. Richtig?«
»Aber bei all diesen Ereignissen waren auch noch andere in der Nähe«, wandte der Bischof ein. »In Drosdowka und auf der Abendgesellschaft der Postmeistersgattin waren außerdem Schirjajew, Pjotr Telianow, Sytnikow und dieser Reimeschmied, wie heißt er gleich . . . Krasnow! Sie alle hätten Gründe haben können, Wonifatjew und seinen Sohn umzubringen. Und die übrigen zwei Morde geschahen aus Angst vor Entlarvung.«
»Richtig, Vater. Aber Pjotr Telianow scheidet aus, weil er an dem Tag, an dem die Wonifatjews zu Sytnikow kamen, noch in der Stadt war. Das wurde in meinem Beisein erzählt, ich habe es mir gemerkt. Was Krasnow und Sytnikow angeht, so hätten sie Wonifatjew natürlich töten können. Der Erste wegen der fünfunddreißigtausend. Der Zweite . . . na, sagen wir, weil er sich mit seinem Gast in die Haare geraten war. Aber der Haken dabei ist, dass die Fürstin weder den einen noch den anderen gedeckt hätte.«
»Einverstanden. Aber was ist mit Schirjajew?«, fragte der Bischof mehr der Ordnung halber.
»Vater, wir hatten doch schon festgestellt, dass er den Mord in der Warrawkin-Gasse nicht begehen konnte, weil er noch in Haft war.«
»Ja, richtig. Also konnte außer Bubenzow niemand alle drei Morde verüben?«
»So ist es. Aber nicht drei Morde, sondern fünf«, berichtigte Pelagia. »Denn der erste und der letzte waren Doppelmorde. Bei gründlicher Überlegung bleibt als Verdächtiger nur Bubenzow. Bedenken Sie, dass er in der Nacht, in der Poggio ermordet wurde, ganz allein war; Murad Dshurajew zog stockbetrunken durch die Kneipen, und der Sekretär Selig versuchte, den Raufbold zur Vernunft zu bringen. Vielleicht hatte Bubenzow seinen Diener zum Trinken verleitet, weil er wusste, wie das enden würde?«
Die Nonne breitete die Arme aus.
»Das ist alles, was wir haben. Unter gewöhnlichen Umständen wäre es ausreichend für eine Verhaftung, aber Bubenzow ist ein besonderer Fall. Selbst wenn Berditschewski einen Haftbefehl ausstellt, fürchte ich, dass Polizeimeister Lagrange ihn nicht ausführt. Er wird sagen, es gäbe keine eindeutigen Beweise. Für ihn ist Bubenzow Zar und Gott in einem. Nein, aus der Verhaftung wird nichts.«
»Das muss dich nicht bekümmern«, sagte Mitrofani. »Du hast dein Teil getan. Ruh dich jetzt aus und sammle Kräfte. Ich ordne an, dass du nicht behelligt wirst, und wenn du etwas brauchst, ziehst du an dieser Samtschnur. Dann kommt sofort ein Zellendiener und erfüllt dir jeden Wunsch.«
Der Bischof zeigte, wie sie an der Schnur ziehen musste, und gleich darauf erschien im Türspalt ein fades Gesicht mit dünnem Bart und schwarzer Kappe.
»Patapi, schick nach Matwej Berditschewski. Und zwar hurtig.«
Matwej Berditschewski war sehr aufgeregt.
Nicht wegen des Polizeimeisters – der war butterweich. Das heißt, zuerst, als er den Haftbefehl sah, war er kreideweiß geworden und ins Schwitzen gekommen, doch dann setzte Berditschewski ihm auseinander, dass nach dem Scheitern der Syten-Angelegenheit der Synodalinspektor sowieso erledigt war, und da fasste Lagrange Mut und nahm sich der Sache mit äußerster Umsicht an.
Nicht Zweifel an der Loyalität der Polizei beunruhigten den Staatsanwalt, sondern die große Verantwortung und mehr noch die Fragwürdigkeit der Beweise. Eigentlich gab es fast keine Beweise, nur Verdachtsmomente, auf denen keine wirkliche Anklage aufzubauen war. Nun, Bubenzow war an dem einen wie an dem anderen Tatort gewesen, er konnte den einen wie den anderen Mord begangen haben, doch was folgte daraus? Ein guter Verteidiger würde solche Mutmaßungen zerpflücken. Hier musste größere Vorarbeit geleistet werden, und Berditschewski war nicht sicher, ob er das schaffen würde. Für einen Moment beneidete er sogar die Ermittler früherer Zeiten. Die hatten es leicht gehabt. Man schnappte einen Verdächtigen, legte ihn auf den Streckbock, und er gestand ganz von selbst. Natürlich dachte der fortschrittliche und zivilisierte Berditschewski nicht im Ernst an Folter, doch ohne ein Geständnis des Angeklagten war hier nichts zu machen, und das
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