Al Wheeler und die gespenstige Lady
Beteuerungen in der Nachmittagshitze, Al?«
»Wir
hatten doch gestern nacht ein ganz bestimmtes Thema
behandelt«, sagte ich. »Ich möchte nicht davon abweichen, Justine ,
meine Süße .«
Ihre
Hand drückte mit Wärme die meine. »Keine Gefahr«, sagte sie zuversichtlich. »Du
bist der Mann, der das An-ein-Mädchen-Heranschleichen aus einer Wissenschaft in
reine Kunst verwandelt !«
»Du
begreifst nicht«, sagte ich heiser. »Jeden Augenblick jetzt werde ich Al
Wheeler, der honorige Polizeibeamte, der leidenschaftliche Wahrheitssucher
sein. Und vielleicht gefällt dir das gar nicht .«
Sie
nahm die dunkle Brille ab und ließ sie ins Gras fallen. »Ich nehme das Risiko
auf mich«, sagte sie.
»Okay«,
sagte ich. »Ich weiß heute nicht mehr als gestern — jedenfalls nichts, was der
Rede wert wäre —, aber heute nachmittag ist mir plötzlich eines aufgegangen. Ich könnte mich sechs Monate hier
herumtreiben und würde dabei um nichts klüger werden. Denn jedermann erzählt
mir alles, was dazu beitragen könnte, den Mord aufzuklären — abzüglich dessen,
was ihn selber belasten könnte .«
»Das
klingt ganz so, als seist du in einer Sackgasse angelangt, Al .«
»Nur
an einer Schranke«, sagte ich. »Die muß ich niederbrechen, auch wenn vielleicht
ein paar Leute hier und dort blaue Flecken bekommen .«
»Also
los«, sagte sie munter. »Willst du mich jetzt gleich verhaften lassen ?«
»Hast
du jemals Scharade gespielt, Süße ?« fragte ich sie.
»Genau diesen Eindruck hat man hier im Haus — alle spielen Scharade — geben
vor, etwas zu sein, was sie nicht sind. Zum Beispiel du in der Nacht, als der
Mord geschah — mit dem langen weißen Gewand, dem
Silberfiligrangürtel und all diesem Quatsch über Gespenster und Dämonen. In den
ersten zwei Stunden, die ich hier war, hielt ich dich für eine echte Irre —
aber dann tauchten ein paar kleine Dinge auf, die nicht in das Bild paßten . Daß du zum Beispiel Martha die Überdosis eines
Beruhigungsmittels gegeben hattest — wie irritiert du warst, als sie bei uns
hereinplatzte, noch immer benommen durch das Mittel, und dich der Ermordung Slocombes beschuldigte.«
Ihre
dunklen Augen hatten mich ruhig und mit wachem Interesse bis zu der Sekunde
beobachtet, als ich Martha erwähnt hatte. Dann war ihr Blick kurz beiseite
geglitten, und als sie mir nun wieder ins Gesicht sah, waren ihre Augen
undurchdringlich und verschleiert.
»Martha
kennt dich vielleicht persönlich nicht allzu gut, aber ganz sicher kennt sie
dich als Rivalin. Sie hatte dir Henry Slocombe unter
der Nase weggestohlen — er war keine großartige Beute, aber das spielte für
keine von euch eine Rolle! Und als er tot war, hatte sie instinktiv das Gefühl,
daß du ihn entweder selbst umgebracht oder zumindest die Hand mit im Spiel
gehabt hattest .«
»Reden
alle leidenschaftlichen Polizeibeamten soviel wie du,
Liebling ?« fragte sie leichthin.
»Das
machte dir Sorgen, nachdem du wußtest, daß Slocombe tot war — daß Martha dich sofort verdächtigen würde.
Aber wenn du wirklich völlig unschuldig warst, hätte dich das bestimmt nicht
ernstlich beunruhigen können .«
»Du
glaubst also, ich hätte bei Henrys Ermordung zumindest die Hand im Spiel gehabt ?« fragte sie mit kalter, abweisender Stimme.
»Aber
du wußtest zu diesem Zeitpunkt gar nicht, daß es sich um einen Mord handelte«,
fuhr ich fort. »Das spricht dich von jeder Schuld frei .«
»Wie
gütig von Ihnen, mich von meinen Sünden reinzuwaschen, Lieutenant!«
»Das
werde ich jetzt ein einziges Mal tun — und zwar schnellstens«, knurrte ich.
»Und hör ja gut zu, Justine Harvey !«
»Ja,
Sir!« Sie ließ mir einen übertriebenen militärischen Gruß zukommen, und ich
schlug ihr mit dem Handrücken eins über den Mund — so hart, daß sie
ausgestreckt ins Gras zurückfiel.
Sie
setzte sich langsam auf, wischte sich mit der Hand das Blut von der Unterlippe.
Ihre Augen waren erschreckt und überrascht aufgerissen.
»Hörst
du jetzt zu ?« fragte ich kalt. Sie wischte sich erneut
über die Lippe und nickte schweigend.
»Der Harveysche Besitz gehört der Familie, und dieser
Besitz stellt dank seiner Ölvorkommen ein Riesenvermögen dar. Ellis ist an
weiterem Geld nicht interessiert — nur daran, daß die Familientradition und das
Grundstück unverändert bleiben. Und ihm gehören vierzig Prozent des Besitzes.
Onkel Ben, der aus irgendwelchen fremden Erdteilen nach Hause gereist kam, weil
er pleite war und keine andere
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