Al Wheeler und die Malerin
Zuflucht vor der
ewigen Suche nach Gerechtigkeit, Lieutenant ?« dröhnte
Pierces Stimme plötzlich an mein Ohr. »Oder handelt es sich nur um das
ungestüme Glück, das seine Pfeile nach allen Richtungen verschickt ?«
»Wenn ich es anders ausdrücken
darf«, sagte ich. »Ich bin einfach erschöpft .«
»Sie haben ohne Zweifel eine
nicht endende Nacht damit verbracht, schlimme Verbrecher dingfest zu machen .«
»Es war lediglich eine lange
Nacht« sagte ich.
»Was ist mit Bella? Jedesmal , wenn ich sie ansehe, habe ich den Eindruck, ich
sei das letztemal vor fünf Jahren hier gewesen,
anstatt gestern .«
»Ich vermute, daß sie, ebenso
wie Sie, Lieutenant, lediglich erschöpft ist .« Er
kicherte mit seiner tiefen Stimme. »Aber mehr seelisch erschöpft, und das nimmt
noch wesentlich mehr mit. Nicht wahr? «
»Vielleicht ist das die
Erklärung, Lambert«, sagte ich. »Alle sind seelisch erschöpft, und das ist es,
was mich schon den ganzen Morgen deprimiert .«
»Oder ist Ihnen vielleicht das
schnellfüßige Schicksal auf den Fersen ?« sagte er.
»Welcher Mensch hat schon den Mut, den Kopf zu wenden und seinem eigenen
Schicksal zu trotzen, Lieutenant? Und so bringen wir unsere Tage dahin; laufen,
so schnell wir können, und das, was als leichte Konversation gilt, ist nur ein
Wimmern der Angst .«
Das reichte. Ich strebte
entschlossen der Tür zu.
»Verlassen Sie uns schon,
Lieutenant ?« kicherte Lambert vergnügt. »Sie haben ja
noch nicht einmal Ihren Kaffee bekommen !«
»Ich bin gekommen, um meine
Depressionen loszuwerden«, knurrte ich über die Schulter weg. »Aber noch
weitere fünf Minuten mit Ihnen, und ich bin ein potentieller Selbstmörder .«
»Haben Sie Ihren Mörder schon
erwischt ?« schrie er hinter mir her, als ich auf den
Flur trat.
»Na klar !« schrie ich zurück. »Aber ich mußte ihn wieder laufenlassen — ich habe ihn zur
Unzeit erwischt !«
NEUNTES KAPITEL
D er Rest des Tages bescherte
auch keinen großen Fortschritt mehr. Ich nahm meinen Lunch an einer Theke in
einem Drugstore ein und wurde mir zu spät darüber klar, wieso die Apotheken so
florieren.
Polnik wartete auf mich, als ich ins
Büro zurückkehrte. Sein Ausdruck war wieder düster.
»Sie sagten, Sie wollten um die
Mittagszeit wieder hier sein, Lieutenant«, begrüßte er mich klagend. »Ich warte
hier bereits seit zwei Stunden und habe noch nicht mal meinen Lunch gehabt !«
»Vermutlich haben Sie sich bei
der Jagd nach dem Hausmädchen durch die Landschaft einen tüchtigen Appetit
geholt ?« knurrte ich ihn an.
Ein Schimmer abergläubischen
Entsetzens tauchte in seinen Augen auf, während er einen nervösen Blick über
seine Schulter warf. Zufällig senkte ich meinen Blick in dieser Sekunde und
sah, daß seine Finger auf jene Weise ineinander verknotet waren, mit der man in
alten Zeiten Verhexungen abzuwehren trachtete.
»Haben Sie vielleicht einen
Grund für Ihr Herumgezappel ?« fragte ich ihn mit
eiskalter Stimme.
»Dieses Hausmädchen!« Seine
Stimme senkte sich unwillkürlich zu einem heiseren Geflüster. »Glauben Sie an
Hexen, Lieutenant ?«
»Klar !« sagte ich. »Aber nicht an die Sorte, die Sie meinen.«
»Vielleicht hat sie eine
Kristallkugel«, murmelte er. »Lieutenant — wenn sie eine Hexe wäre — und jemand
stolpert zufällig und streckt nur die Hand aus, um sich festzuhalten, und sie
geht gerade zufällig vorüber und seine Hand gerät zufällig an... ?« Er schluckte krampfhaft. »Na ja, und sie mißdeutet seine Absicht — deshalb wird sie doch nicht
gleich den bösen Blick auf ihn werfen, oder glauben Sie das ?«
»Ich würde sagen, das hängt
davon ab, wievielmal Ihre Absichten mißdeutet wurden,
Sergeant«, sagte ich ernst. »Warum sind Sie denn so überzeugt, daß sie eine
Hexe ist ?«
Das Weiße in seinen Augen wurde
über seinen Pupillen sichtbar. »Ganz plötzlich sagte sie, daß sie, wenn ich es
noch einmal versuchte, meine Frau anrufen und so tun würde, als wäre sie eine
Verkäuferin in einem der Warenhäuser, und ihr erzählen, ich sei da, um ihr — und
ihrer Mutter! — irgendein teures Geschenk zu kaufen, und sie, das Mädchen, habe
gedacht, sie würde am besten anrufen, um herauszufinden, was sie beide am
liebsten haben wollten !« Polnik stöhnte verzweifelt. »Ich kann mir vorstellen, was für eine Antwort sie bekommen
würde !«
»Und deshalb ist sie eine Hexe ?« fragte ich.
»Die Mutter meiner Alten ist
erst gestern abend angekommen«, sagte er
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