Al Wheeler und die Teufelsbrut
dem Make-up. Wenn ich
mir es recht überlege, unterscheidet sich Chuck in nichts von irgendeinem
anderen Mann. Nichts als ein großer, rührender, gehender, redender, zitternder
Brocken gieriger Gelüste.« Sie hob stolz das Kinn. »Sie dürfen ruhig wissen,
Lieutenant, daß ich zufällig Gründungsmitglied von H.U.R.E. bin.«
»Man
sieht Ihnen Ihr Alter wirklich nicht an«, sagte ich bewundernd.
»Wie?«
»Na,
wenn Sie ein Gründungsmitglied des Zweitältesten Gewerbes der Welt sind«,
erklärte ich.
»Hilfsgemeinschaft
der Unterprivilegierten für revolutionäre Emanzipation«, sagte sie düster.
»Abgekürzt H.U.R.E.«
»Also
eine Art Frauenbewegung?« schloß ich messerscharf.
»Was
sonst?« Ein Ausdruck geduldiger Resignation erschien auf ihrem Gesicht. »Und
Ihre nächste Frage lautet: Warum sind Sie Lesbierin?«
»Okay«,
sagte ich bereitwillig. »Warum sind Sie Lesbierin?«
»Die
typische Reaktion kindischer männlicher Eitelkeit!« Sie lachte verächtlich.
»Zufällig bin ich keine Lesbierin. Ich bin durchaus für eine bedeutsame
Beziehung zu einem Mann zu haben, aber sie muß auf Gleichberechtigung basieren.
Wenn ich einmal einem Mann begegnete, der mich nicht rein — oder unrein! — als
Sexobjekt betrachtet, wäre das ein Anfang.«
»Ich
glaube, es ist so, wie mal jemand gesagt hat«, bemerkte ich, »alle reden immer
mehr darüber und tun es immer weniger.«
Das
plötzliche heftige Klopfen an der Tür bewirkte bei ihr eine mehr als heftige
Reaktion. Sie fiel fast vom Rand des Korbsessels hinunter.
»Doc
Murphy«, sagte ich. »Der County-Coroner. Es ist alles okay. Er beißt nicht, er
ist nur ein bißchen zynisch.« Ich ging durchs Wohnzimmer, öffnete die Tür — und
befand mich schlagartig mitten in Disneyland. Mickymaus und Donald Duck, beide
übermäßig groß, standen da unter dem Vordach. Die Pappmaché-Masken, ein Mäuse-
und ein Entenkopf, waren riesig und grotesk. Ihre weißen Overalls waren
offensichtlich dick gepolstert, um die Gestalten fast ebenso breit wie hoch
erscheinen zu lassen, und beide trugen weiße Handschuhe und Tennisschuhe. Das
einzige, was nicht dazu paßte, war die Pistole in der Hand der Mickymaus. Sie
war direkt auf meinen Nabel gerichtet. Ich hatte intuitiv das Gefühl, daß dies
nicht der richtige Zeitpunkt sei, um Fragen zu stellen, und so blieb ich still
stehen, während mir langsam das Blut in den Adern gefror.
»So
ist’s gut.« Die Stimme, die hinter der Maske hervordrang, war nicht mehr als
ein geschlechtsloser mechanischer Laut.
»Die
Hände auf den Kopf«, sagte Donald Duck mit völlig gleichklingender Stimme.
Ich
gehorchte, und gleich darauf nahm die weißbehandschuhte Hand der Mickymaus den
Achtunddreißiger aus meiner Gürtelhalfter.
»Polente?«
erkundigte sich Donald Duck.
»Polente«,
pflichtete Mickymaus bei.
»Ortspolizei«,
sagte Donald. »Drittklassig. Ausgesprochen drittklassig.«
»Du
hast recht.« Die Pistole in der Hand von Mickymaus hob sich um ein paar
Zentimeter. »Zurück, Sie drittklassiger Polyp.«
Der
drittklassige Polyp tat, was er geheißen worden war, und wich zurück, bis er
sich in der Mitte des Wohnraums befand. Von irgendwo hinter mir drang eine Art
wimmernder Schrei an mein Ohr, und ich blickte gerade rechtzeitig über die
Schulter, um zu sehen, wie Stephanie Channings Augäpfel glasig wurden. Im
nächsten Augenblick kippte sie vom Rand des Korbsessels nach vorne hinab und
landete, das Gesicht nach unten, auf dem Boden.
»Sollte
sie nicht bereits tot sein?« fragte Donald Duck. »Ich glaube, sie ist nichts
weiter als das Sonderangebot der Woche«, sagte Mickymaus. »Der Kadaver liegt
angeblich im Schlafzimmer. Los, raus damit! Vielleicht erwartet der Bulle
Verstärkung.«
»Seinem
Gesichtsausdruck nach erwartet er jeden Augenblick eine Kugel in den Kopf.«
Donald Duck kicherte gehässig. »Und warum eigentlich nicht?«
»Nicht,
wenn er nicht darauf besteht«, sagte Mickymaus. »Nun hol schon den verdammten Kadaver
aus dem Schlafzimmer.«
Der
Ausdruck auf dem Pappmaché-Gesicht veränderte sich nicht, als Donald Duck ins
Schlafzimmer wanderte. Nicht einmal der Ausdruck auf dem Gesicht von Mickymaus
änderte sich, als er auf das Geräusch des sich schnell nähernden Wagens
lauschte.
»Alles
ganz einfach, Polyp«, sagte er, gleich nachdem das Motorgeräusch vor der
Haustür verstummt war. »Sie schaffen uns den, der draußen ist, vom Hals — und
zwar schnell — , sonst bringen wir Sie, das Mädchen und den, der da
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