Al Wheeler und die Teufelsbrut
kleiner Schreibtisch, und dahinter saß die Sekretärin.
Sie
war dunkelhaarig, und ihre helmartige Frisur bekam durch tief in ihre Stirn
hängende Ponyfransen einen besonderen Reiz. Tiefliegende graue Augen blickten
mich aus einem Elfengesicht an, in dem ein trügerischer Ausdruck von Unschuld
lag; und ihre kurze Oberlippe war auf zart sinnliche Weise gebogen. Sie trug
einen engen schwarzen Pullover, der klar den arroganten Schwung der hohen
kleinen Brüste betonte, und einen engen grauen Rock, der die Rundung ihrer
Hüften unterstrich. Ihr lässiges Lächeln entblößte ein weißes Raubtiergebiß . »Sie müssen wohl einer von Charles Henrys
Aktivposten sein?« sagte ich.
Sie
schob die Unterlippe vor. »Haben Sie Mr. Henry je kennengelernt?«
»Das
war das, was ich mir im Leben am meisten gewünscht habe«, gestand ich, »bevor
ich Sie kennenlernte.«
»Es
ist mir fast zuwider, es Ihnen mitteilen zu müssen«, sagte sie, »Mr. Henry ist
in Ihrer Branche tätig — er verkauft — und er kauft nie, niemals etwas.« Sie
schürzte erneut den Mund. »Noch nicht mal einen Lunch für seine Sekretärin.«
»Ich
bin Al Wheeler«, sagte ich, »und ich bin nicht in der Verkaufsbranche tätig.
Ich möchte lediglich ein paar Minuten lang mit Mr. Henry plaudern.«
Sie
warf einen Blick auf ihre winzige Armbanduhr. »Ich bin Marian Norton. Er müßte
eigentlich in einer Viertelstunde hier sein, wenn sein Flugzeug rechtzeitig
landet, können in seinem Büro auf ihn warten, wenn Sie wollen.«
»Danke.«
Ich wies mit dem Kopf auf die Tür, auf der Henrys Name stand. »Dort?«
»Sie
sind ein kluges Kind«, sagte sie anerkennend. »Die einzige andere Möglichkeit,
die Sie haben, besteht darin, aus dem Fenster zu gehen.«
Das
Büro war größer als das Kämmerchen draußen, aber ebenso unordentlich. An zweien
der Wände standen Pappkartons bis zur Decke gestapelt, und ein halboffener
Karteischrank brach fast unter der Last der hineingestopften Aktenbündel. Das
Mobiliar bestand aus einem mitgenommenen Schreibtisch mit Lederplatte und einem
Generaldirektorssessel, dessen Sitzfläche durchhing. An der Innenseite des
einzigen Fensters haftete eine feine Staubpatina, und wenn man den Hals scharf
nach der einen Seite reckte, hatte man eine grandiose Aussicht auf die
städtische Leichenhalle. Ich zündete mir eine Zigarette an und fragte mich, ob
ich die Wartezeit nicht besser draußen in dem Kämmerchen verbrächte. Ein Bild
in einem Lederrahmen war nach vorn gefallen. Und so absolvierte ich meine gute
Tat für den Tag und richtete es wieder auf. Das fast schöne Gesicht eines
dunkelhaarigen Mädchens blickte mich mit düsterem und irgendwie vorwurfsvollem
Ausdruck an. Es war ein überaus vertrautes Gesicht. Das letztemal ,
erinnerte ich mich, hatte ich es mit einem von Pulver geschwärzten Loch in der
linken Schläfe gesehen. Ich starrte noch auf das Foto, als die Sekretärin
hereinkam.
»Sie
haben Pech, Al Wheeler«, sagte sie munter. »Mr. Henry hat gerade vom Flughafen
aus angerufen. Er hat beschlossen, den Nachmittag mit einem wichtigen Kunden zu
verbringen; und er wird erst gegen fünf Uhr wieder hier sein.«
»Ein
Jammer!« sagte ich vage. »Ich habe gerade seinen Geschmack in Freundinnen
bewundert.«
»Das
ist keine Freundin.« Sie warf einen flüchtigen Blick auf das Foto. »Das ist
seine Schwester.«
»Besteht
zwischen den beiden irgendeine Familienähnlichkeit?«
Sie
gurgelte vor Lachen. »Sie haben keine Ahnung, wie komisch die Frage ist! Mr.
Henry ist mindestens zehn Jahre älter, gut fünfzig Pfund schwerer und fast
kahl.«
»Wie
heißt sie?«
»Rona.«
Ihre grauen Augen betrachteten mich aufmerksam. »Warum sind Sie eigentlich so
an ihr interessiert?«
»Ich
glaube, ich habe sie mal kennengelernt«, sagte ich. »Zusammen mit einem blonden
Mädchen namens Stephanie Channing.«
»Das
sollte mich nicht überraschen«, sagte sie. »Die beiden und zwei andere Mädchen
wohnen zusammen im selben Haus.«
»An
der Pine Street?«
Sie
nickte. »Stephanie fragte mich, ob ich gern zu ihnen ziehen möchte. Was das
Budget betrifft, so wäre das eine großartige Sache gewesen. Aber ich würde
wahnsinnig, wenn ich mit den vieren zusammen wohnen müßte. Sie sind alle mit irgendso einer verrückten Bewegung zur Befreiung der Frauen
verhandelt. Und das mir!« Sie schob die Unterlippe weit vor. »Ich fühle mich
lediglich völlig befreit, wenn ich es einmal mit einem interessanten Mann zu
tun habe, wie eben
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