Alarmstufe Blond
der Salate stürzte, klappte das Gartentor. Eine Gruppe Menschen traf ein, doch es waren keine Gäste, es war meine Überraschung.
»Hi Pippa«, rief Daniel, der Bruder meines Ex-Freundes, als er das Tor durchschritt und auf mich zukam. »Du brauchst ein Kammerorchester?«
»Ja«, sagte ich lahm. Ich wollte eigentlich den Gästen im Garten ein kleines Kammerkonzert bieten, im Andenken an den alten Albert Norden, der sich ein Konzert gewünscht hatte, aber das hatte sich nun erledigt. Es war keiner da, der es hören konnte.
»Naja, es ist alles etwas anders gelaufen, als beabsichtigt, aber danke, dass ihr gekommen seid.«
Er runzelte die Stirn. »Du meinst, wir sind den ganzen Weg aus der Stadt umsonst hergefahren?«
Ich schüttelte schnell den Kopf. »Nein, es sind nur weniger Zuhörer als geplant.« Dann würden wir das Konzert eben nicht für alle im Garten veranstalten, sondern nur für Albert.
»Kommt mit«, sagte ich den sechs jungen Musikern, die aus dem Auto gestiegen waren. »Heute gibt’s ein ganz spezielles Konzert für einen ganz speziellen alten Mann.«
Ich führte die sechs und Caroline zum Grab von Albert, auf dem frische Blumen standen. Wir hatten Kerzen mitgebracht, die eigentlich auf den Tischen stehen sollten, und platzierten sie um die Musiker, die ihre Instrumente auspackten und sich dann am Grab aufstellten.
»Lieber Albert«, sagte ich schließlich zu dem Grab und dem Grabstein. »Ich weiß nicht, ob du mich hören kannst, aber falls du es kannst, möchte ich dir sagen, dass es mir sehr leid tut, dass ich deine Freunde, deine Familie, alle im Dorf, die dir und inzwischen auch mir etwas bedeuten, verletzt habe. Das hatte ich nicht vor. Ich habe ihr Vertrauen missbraucht, und das tut mir sehr, sehr leid. Leider kann ich die Sache nicht ungeschehen machen, ich wünschte, ich könnte es, aber ich fürchte, es ist zu spät. Falls du den anderen vielleicht einmal im Traum oder als Gespenst erscheinst, dann sage ihnen das bitte, mit mir wollen sie ja nicht mehr reden. Inzwischen weiß ich, dass ich die drei Wochen hier sehr genossen habe, nicht wegen des schönes Wetters und der Ruhe, sondern weil es nette Menschen gab wie Emma-Louise und dich, Jasper, Tim, Sebastian und natürlich Doktor Diercksen. Sie sind meine Freunde geworden, obwohl ich sie offensichtlich gar nicht verdient habe. Euch kennengelernt zu haben, war das Beste, was mir seit langer, langer Zeit passiert ist. Und weißt du noch, als ich das erste Mal in deinem Wohnzimmer saß und du und Emma-Louise mich fragtet, ob es nicht einsam sei in der Stadt? Verglichen mit dem Leben hier und den Menschen, die sich um mich gekümmert haben, ist es sehr einsam, und ich bin dankbar für jeden Moment, den ich mit euch verbringen durfte. Vielen, vielen Dank.
Albert, ich hoffe, du hast viel Spaß an dem Konzert. Genieße es, es ist nur für dich.«
Dann trat ich zurück und überließ die Bühne den Musikern.
Es war eine ganz eigenartige Atmosphäre, als die Musik auf dem Friedhof erklang und zwischen den Grabsteinen und den uralten Bäumen hallte. Es wirkte fast überirdisch, ein wenig gruselig und unheimlich, aber wunderschön. Albert hätte es geliebt.
Caroline nahm meine Hand und drückte sie leicht. Als ich sie ansah, nickte sie mir zu. Dann senkte ich meinen Blick und lauschte der Musik.
Ein wenig ungehalten wurde ich, als ich es vermehrt rascheln hörte, aber ich sah nicht auf. Wahrscheinlich war das das Letzte, was ich hier tun konnte. Morgen würde ich packen, dann war mein Aufenthalt vorüber.
Erst als Caroline meine Hand erneut drückte, um meine Aufmerksamkeit zu erregen, blickte ich auf. Und riss erstaunt die Augen auf. Zu dem Platz um Alberts Grab strömten immer mehr Menschen. Angezogen von der Musik kamen die Dorfbewohner, um das Konzert für den alten Mann zu hören. Als der letzte Ton verklungen war, brandete Applaus auf, die Musiker verbeugten sich und ich hatte das Gefühl, als wäre ein großer Stein von meinem Herzen gefallen. Sie würden mich vermutlich immer noch hassen, aber Albert hatte seinen Spaß gehabt. Und den Dorfbewohnern hatte es offensichtlich auch gefallen. Ich sah sogar Lächeln über die Gesichter huschen, als sie mich ansahen.
Das Orchester musste noch eine Zugabe geben, danach kam Emma-Louise zu mir.
»Ich weiß, dass du das organisiert hast. Er fand es mit Sicherheit großartig. Ich hätte zwar lieber geschlafen, aber das macht sich im Stehen nicht so gut.«
Ich war so erleichtert, dass sie
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