Alarmstufe Blond
sahen, blickten nicht auf, niemand winkte. Jeder sah schnell zur Seite oder widmete sich seinen Angelegenheiten. Ich war persona non grata.
Schnell schluckte ich die Tränen hinunter, vor allem, als ich an Leonards Praxis vorbeikam. Drinnen brannte Licht, doch ich konnte ihn nicht sehen. Und er wollte mich mit Sicherheit nicht treffen.
So schnell ich konnte, fuhr ich zur Tankstelle des Verderbens, wo Tim das Exemplar der Zeitschrift gekauft hatte, nahm die restlichen aus dem Ständer und bezahlte mit meiner Kreditkarte. Dann ließ ich mir die Anschriften der nächsten Tankstellen und Zeitungskioske geben, kaufte alles auf, bis meine Kreditkarte glühte, und fuhr mit einem Kofferraum voller Zeitschriften zurück nach Hause.
Dort saß ich mit Caroline zusammen im Wohnzimmer und entwarf mit ihr eine schicke Einladung zur Einweihungsparty am kommenden Tag, die wir nach Einbruch der Dunkelheit (das war meine Forderung, wenn sie mich dabei haben wollte) in alle Briefkästen warfen, in der Hoffnung, dass jeder kommen würde.
Danach köpften wir eine Flasche Wein und überlegten, was wir auf der Party bieten konnten, und vor allem, was ich anstellen musste, um die Gunst der Dorfbewohner wiederzugewinnen. Doch außer einem Zauberer, der weiße Kaninchen aus seinem Hut zaubern und mich in etwas Niedliches, dem niemand etwas Böses wünschte, verwandeln konnte, fiel uns nichts ein. Und nicht einmal den hätten wir auf die Schnelle auftreiben können.
Schließlich blieben wir dabei, dass ich, wenn alle betrunken genug waren, mir eventuell zu verzeihen, eine erklärende Rede halten und ihnen meine Verzweiflung wegen meiner Chefin schildern sollte. Ich konnte nur hoffen, dass das wenigstens ein bisschen funktionierte. Aber ganz sicher war ich mir nicht.
Weit nach Mitternacht lag ich schließlich im Bett und wälzte mich von einer Seite auf die andere. Ich freute mich zwar immer noch auf meinen neuen Job, aber wenn der bedeutete, dass ich in Zukunft stets Menschen verletzen und ihnen mit meinen Worten Schmerzen zufügen würde, dann hatte er einen bitteren Beigeschmack bekommen. Vielleicht sollte ich mich lieber in die Kultur-Abteilung versetzen lassen, um dort Buchrezensionen und Veranstaltungsreviews zu verfassen. Das war ungefährlich.
Auf einmal saß ich kerzengerade im Bett. Ich hatte eine Idee. Sie würde mir zwar nicht die Gunst der Menschen im Dorf wiederbringen, aber hoffentlich wenigstens einer Seele etwas Freude schenken. Nur eine Minute später hing ich am Telefon, obwohl es mitten in der Nacht war. Aber ich kannte jemanden, der mir noch einen Gefallen schuldete, und den würde ich jetzt einlösen.
TAG 19
21. Juli, Tag 2 nach dem Zweitschlag
Ich schlief den Rest dieser Nacht wesentlich besser, mich hatten nicht einmal die Gerüche des Kuhstalls gestört, die bei aufkommendem Westwind in mein Zimmer wehten. Knapp drei Wochen Landleben und die Geruchsnerven stumpften völlig ab. Wie wäre das nach zwei Monaten? Hielt ich es dann für Chanel No 5?
Eilig zog ich mich an und stürmte zu Caroline in die Küche, die bereits Kaffee kochte (selbstverständlich fair gehandelt und mit Bio-Siegel). Wir besprachen noch einmal alle notwendigen Schritte vor der Party, und dann gingen wir sie an: Essen und Getränke einkaufen, dekorieren, Salate vorbereiten, Sitzgelegenheiten und Tische organisieren, einen Pavillon aufstellen … Es waren noch viel mehr Dinge, die erledigt werden mussten, und uns lief so nach und nach die Zeit davon. Schweißgebadet stand ich schließlich am späten Nachmittag im Garten und betrachtete unser Werk. Der Garten war nicht wiederzuerkennen. Das Weiß des Pavillons bildete einen knalligen Kontrast zum Grün und stach positiv ins Auge. Die bunten Lichterketten sorgten für romantische Beleuchtung, neben dem Weg hatten wir Platz für ein Lagerfeuer geschaffen, wo Marshmallows und Würstchen über dem Feuer geröstet werden sollten, was dem Platz etwas Abenteuerliches verlieh. Kisten voller Getränke standen am Rand, und auf einer großen Tafel würden wir später die Gerichte anbieten. Es sah alles sehr gut aus. Es fehlte nur noch eines: die Gäste. Und ob die kommen würden, war mehr als fraglich.
Doch noch war genügend Zeit, Caroline hatte sie erst für den Abend eingeladen.
Schnell hüpfte ich unter die Dusche und spülte mir den Schweiß ab, dann stand ich wieder vor der großen Frage, was ich anziehen sollte. Doch bevor ich mich gezwungen sah, verzweifelt aus dem Fenster zu springen,
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