Alarmstufe Rot
geht es?”
Brooke zog ihren Kittel zurecht. „Seine Hand ist schon viel besser geworden. Er kann fast eine Faust machen. Nur sein Zeigefinger macht mir Sorgen.”
„Ist er noch steif?”
„Ja. Er spricht nicht so auf die Behandlung an, wie ich gehofft hatte. Ich glaube, da liegt eine Sehnenverkürzung vor.”
Dr. Kempner lehnte sich zurück und seufzte. „Haben Sie Dr. Granger das gesagt?”
Sie versuchte, sich ihr Schuldgefühl nicht anmerken zu lassen. „Zu Anfang habe ich ihn davor gewarnt. Neulich sagte ich ihm, er solle Geduld haben, aber ich fürchte, es ist zu spät.”
„Das bedeutet, dass die Sehne vermutlich operiert werden muss.” Dr. Kempner schob ein Krankenblatt zur Seite. „Verflixt, das wo llte ich vermeiden. Normalerweise warte ich mindestens ein halbes Jahr, bevor ich eine Operation vorschlage. Aber ich kenne Jared, er wird die Sache beschleunigen wollen, um es hinter sich zu haben.”
„Jared ist …” Da, jetzt war es passiert. „Dr. Granger ist sehr motiviert und gibt sich ehrlich Mühe. Ich habe die Befürchtung, dass so eine Nachricht niederschmetternd auf ihn wirkt.”
„Das wird sie, aber mit Ihrer Unterstützung wird er es verwinden.”
Jetzt musste sie gestehen. „Eigentlich hat er mich als Therapeutin abgelehnt.”
„Ich weiß.”
Die Kehle wurde ihr eng. „Das wissen Sie?”
„Ja. Ihre Chefin hat mich informiert.”
Brooke hatte keine Ahnung, was Macy gesagt haben könnte, wagte aber nicht zu fragen.
„Ich verstehe.”
Nick Kempner beugte sich vor und musterte sie eingehend. „Was geht zwischen Ihnen und Jared vor, Brooke?”
Sie überlegte kurz, ob sie Ausflüchte machen sollte, aber wahrscheinlich würde er sie durchschauen. „Wir sind uns ein wenig näher gekommen.” So nah, wie man sich nur kommen kann, fügte sie im Stillen hinzu, körperlich.
„Dann nehme ich an, Sie setzen die Therapie privat fort. Zumindest in gewisser Hinsicht.”
Sie sah auf und bemerkte, dass Dr. Kempner breit grinste. Ihr Gesicht sah bestimmt aus, als habe sie einen Sonnenbrand zweiten Grades. „Über die weitere Therapie haben wir noch nicht ge sprochen. Die Entscheidung ist erst vor zwei Tagen gefallen.”
Er wurde wieder ernst. „Es ist nicht an mir, über Sie zu urteilen, Brooke. Solche Dinge passieren nun einmal. Jared kann ein Dickschädel sein, aber offenbar haben Sie seinen Widerstand überwunden. Mein Kompliment.”
„Vielen Dank.”
„Aber ich muss Sie warnen. Wenn er hört, dass sein Zeigefinger nicht in Ordnung ist, könnte er sich wieder verschließen.”
„Ich weiß. Deshalb zögere ich, es ihm zu sage n.”
„Und deshalb sollten Sie mir das überlassen.”
Ja, das wäre ein vernünftiger Weg, aber wäre es Jared gegenüber fair? Würde er ihr möglicherweise vorwerfen, dass sie nicht ehrlich zu ihm war? „Vielleicht nimmt er es besser auf, wenn es von mir kommt.”
„Die Diagnose muss ich stellen, Brooke. Sie können ihm nur Verdachtsmomente mitteilen.
Das wäre mir aber nicht recht, denn Sie könnten sich ja irren.”
Ach, wenn sie sich doch irrte! „Ich kenne das Krankheitsbild leider nur zu gut und bin fast sicher …”
„Lassen Sie mich den Unglücksboten spielen.”
Brooke fühlte sich gar nicht wohl bei dem Gedanken, ihren Verdacht vor Jared geheim zu halten. Aber Dr. Kempner war bereit, die Verantwortung zu übernehmen. Das war schließlich das professionelle Verfahren. Ihre persönliche Beziehung zu Jared Alarmstufe Rot!
hatte die Grenzen verwischt. Und sie hatte nicht die Befugnis des behandelnden Arztes. Dr.
Kempner hatte Recht, ihre Diagnose konnte falsch sein. Sie musste objektiv bleiben. Doch das war leichter gesagt als getan.
Sie seufzte. „Wann wollen Sie es ihm sagen?”
„Er hat morgen Vormittag einen Termin bei mir. Dann lasse ich die Bombe platzen.”
Heute Abend würde sie Jared sehen. Wie würde sie sich da normal verhalten können, wenn so viel für ihn auf dem Spiel stand? Und für sie. Nie hätte sie sich vorstellen können, in eine solche Situation zu geraten. Hätte sie sich nicht unvernünftigerweise mit Jared eingelassen, steckte sie jetzt nicht in diesem Dilemma.
Aber sie war nun einmal emotional engagiert, und Nick Kemp ner hatte sicherlich Recht. Er war Jareds Arzt, und er sollte ihm diese Information geben. Warum kam sie sich trotzdem wie eine Verräterin vor?
„Okay”, sagte sie und stand auf. „Sie sollten es ihm sagen.”
Nick begleitete sie zur Tür. „Eins noch.”
„Ja?”
In
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