Alasea 02 - Das Buch des Sturms
Hand passte.
Merik kniete neben dem Mädchen nieder. »Hör mal, Elena, du musst dir das alles nicht gefallen lassen. Du bist der letzte Spross des königlichen Elv’en-Geschlechts. In deinen Adern fließt das Blut verlorener Dynastien. Du darfst dein Geburtsrecht nicht vergessen.« Er nahm ihre Hand. »Gib diese törichte Mission auf und kehre mit mir zu den Schiffen und Meeren deiner wahren Heimat zurück.«
»Das Land Alasea ist meine Heimat«, antwortete sie und entzog ihm dabei ihre Hand. »Mag sein, dass ich von einem eurer verlorenen Könige abstamme, aber ich bin auch Tochter dieses Landes, und ich werde es nicht dem Großen Gul’gotha preisgeben. Es ist dir unbenommen, in deine Heimat zurückzukehren, aber ich bleibe hier.«
Merik trat einen Schritt zurück. »Du weißt sehr wohl, dass ich … nicht ohne dich zurückkehren kann. Und meine Mutter, die Königin, würde es niemals dulden, dass dir irgendein Leid geschieht. Wenn du also auf diesem törichten Unterfangen bestehst, dann bleibe ich an deiner Seite, um dich zu beschützen.«
Er’ril war diesen Mann allmählich leid. »Das Kind steht unter meiner Obhut«, sagte er und führte Elena bei der Schulter weg. »Sie braucht deinen Schutz nicht.«
Der wespendünne Elv’e ließ den Blick verächtlich an Er’ril auf- und abgleiten, dann vollführte er einen Schwenk mit dem Arm, der den ganzen Pass einschloss. »Ja, ich sehe, wie du sie beschützt. Sieh dir nur den Wagen an, in dem du sie befördern willst. Sie soll wohl wie eine Vagabundin reisen!«
Er’ril zuckte bei diesen Worten innerlich zusammen, da er in ihnen seine zuvor geäußerte Beschwerde vernahm. Es missfiel ihm, diese Bemerkung aus dem Mund des Elv’en zu hören. »Es ist kein unvernünftiger Plan«, murrte er, wohl wissend, dass er seinen früheren Worten widersprach. »Seit Jahrhunderten reise ich selbst als Gaukler durch die Lande und verdiene so meinen Lebensunterhalt. Dieses grellbunte Leben wird eine vorzügliche Tarnung für das Mädchen sein.«
»Aber sieh dir doch nur ihre Haare an!« stöhnte Merik. »War das denn nötig?«
Bevor einer von ihnen beiden wieder etwas sagen konnte, unterbrach Tol’chuk sie, und seine Stimme klang dabei, als ob Steine in seiner Kehle rumpelten. »Haare wachsen wieder«, erklärte der Og’er schlicht.
Kral tat grunzend seine Erheiterung kund und wandte sich an Ni’lahn, die neben ihm stand. »So, Mädchen, das wäre also geklärt. Da Elena jetzt verkleidet ist, bist du wohl das einzige weibliche Wesen, das mit dieser Truppe reist. Wenn du dich jedoch allzu sehr in der Minderzahl fühlst, können wir dem Og’er immer noch eine Damenperücke aufsetzen und ihn als Mogwieds Liebchen ausgeben.«
Die zierliche Nyphai strich ihr langes schwarzes Haar zurück. »Ich glaube, das wird nicht nötig sein. So, wenn ihr jetzt alle endlich damit fertig seid, das arme Mädchen anzugaffen, können wir vielleicht die Pferde satteln und uns auf den Weg machen.«
»Ni’lahn hat Recht«, sagte Er’ril und wandte sich von dem Elv’en ab. »Die nassen Passwege werden bei Einbruch der Dunkelheit eisglatt sein und …«
»Seht mal!« rief Elena und deutete über die Schultern der anderen.
Ein riesiger schwarzer Baumwolf war auf dem höchsten Punkt des Passes zu sehen; er sprang in großen Sätzen über die Wiese in ihre Richtung, ein dunkler Schatten im Gras.
»Es wird aber auch höchste Zeit«, brummte Mogwied leise. Er’ril hörte das Missfallen in der Stimme des Mannes und spürte, dass zwischen den beiden Gestaltwandlerbrüdern vieles unausgesprochen war.
Der Wolf rannte zu Mogwied und blieb neben ihm stehen, die Zunge hing ihm seitlich aus dem Maul. Die bernsteingelben Augen funkelten im Sonnenlicht, als Ferndal seinen Bruder eindringlich anstarrte. Nach einigen Atemzügen neigte der Wolf den Kopf leicht und unterbrach den Blickkontakt, dann lief er zum nahen Bach, um seinen Durst zu löschen.
»Nun?« fragte Kral Mogwied. »Was hat dir dein Hund mitgeteilt?«
Bevor Mogwied antworten konnte, schalt Elena den Gebirgler in barschem Ton: »Er ist kein Hund. Du solltest ihn nicht so nennen.«
»Er will ihn nur ärgern, Kind«, beschwichtigte Er’ril und gesellte sich zu Kral, der neben Mogwied stand. »Also, was hat dein Bruder über den Zustand dieses Passes herausgefunden?«
Mogwied wich leicht vor Er’ril zurück, tiefer in den Schatten des Og’ers. »Er sagt, viele der Pfade sind von reißenden, tiefen Wassern versperrt. Sie sind unbegehbar.
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