Alasea 02 - Das Buch des Sturms
Doch der nördliche Weg ist frei von Hindernissen, abgesehen von ein paar angeschwollenen Bächen.«
Er’ril nickte. »Gut. Dann folgen wir also dem Weg in das Tal und die Ebene.«
»Außer …« Mogwied schien sich in sich zurückzuziehen.
»Was? Sprich, Mann!«
»Er sagt … dass da was faul riecht.«
Elena ging näher zu ihnen hin, die Saat der Angst keimte in ihren Augen. »Was soll das heißen?«
Er’ril rieb sich die Schläfen, die seit dem anstrengenden Aufstieg pochten. »Ja, was soll das heißen?« wiederholte er missmutig.
Mogwied betrachtete eingehend die zerquetschten Blumen unter seinen Stiefeln. »Das ist nicht ganz klar. Etwas … etwas …« Mogwied schüttelte den Kopf.
Tol’chuk verlagerte das Gewicht seines schweren Körpers und räusperte sich. »Der Wolf spricht in Bildern«, setzte er zum Versuch einer näheren Erklärung an. »Die si’lurische Hälfte meines Blutes hat etwas von Ferndals Bildern empfangen: Ein Wolf mit aufgestellten Nackenhaaren. Ein leerer Pfad, der nach verwesendem Aas riecht.«
»Was soll das deiner Meinung nach bedeuten?« fragte Elena mit belegter Stimme.
»Eine Warnung, dass der Weg vielleicht offen ist, dass Ferndals Wolfssinne jedoch etwas Übles wahrgenommen haben. Er rät deshalb zur Vorsicht.«
Während des folgenden Schweigens trottete Ferndal vom Bach heran und ließ sich neben Elena nieder, um mit der nassen Schnauze ihre Hand anzustupsen. Sie kraulte ihn geistesabwesend hinter dem Ohr, während er auf den Hinterläufen kauerte.
So viel dazu, dass Ferndal nicht wie ein Hund behandelt werden soll, dachte Er’ril, doch er sprach es nicht aus. Die Vertrautheit zwischen dem Wolf und dem Mädchen minderte anscheinend die zunehmende Besorgnis, und die Kleine brauchte für die lange Reise, die ihnen bevorstand, so viel Entspannung wie möglich.
»Dann gehen wir also«, entschied Er’ril. »Doch wir halten Augen und Ohren offen.«
Während die anderen emsig mit letzten Vorbereitungen beschäftigt waren, lungerte Mogwied hinter dem Wagen herum. Er gewahrte das buckelige alte Weib in der Menge von Krals Leuten, die sich versammelt hatten, um sie alle zu verabschieden. Er nickte der Alten zu und huschte in den Schatten des Wagens. Er zählte drei Kupferstücke in seine Hand, dann schob er eins wieder in die Tasche. Zwei müssten reichen.
Er hörte die Anweisungen, die sich die anderen gegenseitig zuriefen. Alle waren beschäftigt. Gut. Bald hörte er den rasselnden Atem der alten Bergfrau, als sie zur Rückseite des Wagens humpelte. Er biss sich auf die Unterlippe, da es ihm zutiefst widerstrebte, von jemandem abhängig zu sein. Doch die Aufgabe, mit der er das alte Weib betraut hatte, konnte er nicht durchführen. Er klimperte mit den Münzen in seiner Hand. Zum Glück waren andere Leute für Arbeiten zu kaufen, die er selbst nicht verrichten konnte.
Die grauhaarige Alte, die sich auf einen Stock aus poliertem Hickoryholz stützte, schlich in den Schatten neben Mogwied. Früher einmal musste sie größer gewesen sein als Mogwied, doch die Zeit hatte ihren Rücken so schwer gebeugt, dass sie jetzt die Augen nach oben verdrehen musste, um Mogwied direkt ins Gesicht zu sehen. Mit Augen von der Farbe schwarzen Granits betrachtete sie Mogwied schweigend. So wie die Unbilden zahlloser Winter ihren Körper geschunden hatten, spürte er auch einen eisigen Kern in ihr, so hart wie der ewige Schnee auf den windgepeitschten Gipfeln.
Plötzlich bedauerte er seine Entscheidung, in diese Aufgabe Komplizen mit einzubeziehen.
Er wandte die Augen unter ihrem kieselharten Blick ab und räusperte sich, da seine Kehle ausgetrocknet war. »Ist es dir gelungen … zu bekommen, um was ich dich gebeten hatte?«
Sie sah ihn noch eine Zeit lang wortlos an, dann nickte sie zaghaft und griff in die Falten ihres abgewetzten Fuchsfellumhangs.
»Wir Bergleute sind nun mal geborene Händler«, antwortete sie mit einem kehligen Kichern. Sie zog eine kleine Mappe aus gepunztem Ziegenleder hervor und streckte sie ihm hin.
Doch als er danach griff, zog sie sie weg. »Wozu brauchst du überhaupt das Zeug?« fragte sie.
Er hatte mit dieser Frage gerechnet. »Als Andenken«, antwortete er so harmlos, wie er nur konnte.
Die Alte kniff die Augen zusammen. »Du bist ganz schön schlau«, zischte sie. »Vielleicht schlauer, als es gut für dich ist.«
»Ich weiß nicht, was du damit …«
Sie spuckte ihm auf die Stiefel. »Du stinkst nach Lügen.«
Mogwied wich einen Schritt
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