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Alasea 02 - Das Buch des Sturms

Titel: Alasea 02 - Das Buch des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Buch des Sturms
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besonders besorgtes Kleines kroch sogar an ihrem Bauch hoch und rieb seine pelzigen Beine an ihrer Brustwarze. Verächtlich schob sie das ungestüme Wesen beiseite.
    In Gedanken ging sie das Ritual noch einmal durch. Hatte sie einen Fehler gemacht? Vielleicht wäre mehr Blut …
    Plötzlich schlugen schwarze Flammen aus der Schale aus Schwarzstein auf und züngelten über dem Becken.
    »Dunkelfeuer«, flüsterte sie und benannte die Flammen mit Lippen, die noch vor Kälte blau waren. Doch diese Flammen boten keine Wärme. Vielmehr war die kleine Lichtung noch kälter geworden. Während gewöhnliches Feuer Licht in die Dunkelheit warf, sogen diese Flammen das Sonnenlicht des späten Nachmittags, das durch die Zweige fiel, in sich auf. Der Wald verdüsterte sich, indes das Feuer einen Nebel kalter Finsternis verströmte.
    Das Kleine an ihrer Brust, verängstigt durch das Lodern des Dunkelfeuers, biss ihr in die Brustwarze, doch Vira’ni verdrängte den Schmerz. Gift oder nicht, der Biss der Spinne war nur eine geringfügige Unannehmlichkeit verglichen mit der Bedrohung, die in der schwarzen Flamme lauerte.
    Sie neigte den Kopf zu dem Holzstumpf. »Herr, deine Dienerin wartet.«
    Die Flammen loderten höher auf, breiteten sich aus. Dunkelheit verschluckte die Schale und den Holzstumpf. Ein schwacher Schrei schallte aus den Flammen. Schon dieser leise Ausdruck von Schmerz jagte ihr einen Schauder über die Haut. Vira’ni erkannte die Musik der Verliese von Schwarzhall. Auch ihre Stimme war einst Teil dieses Chors gewesen, als sie sich unter den Gepeinigten gewunden hatte. Und dort wäre sie geblieben, wenn nicht die Augen des Schwarzen Herzens wohlgefällig auf sie gefallen wären und er sie als Gefäß für seine Macht auserwählt und sie geschwängert hätte, damit sie die Horde gebar.
    Vira’ni legte ihre Hand an der Stelle auf ihren Kopf, wo der Herr der Dunklen Mächte sie in jener letzten Nacht berührt hatte. Jetzt ruhte eine weiße Locke in ihrem schwarzen Haar wie eine Albinoschlange inmitten von schwarzen Wurzeln. Als sie mit der schneeweißen Strähne spielte, blitzten Bilder vor ihren Augen auf: gelbe Reißzähne, scharfe Krallen, das Schlagen knochiger Flügel. Ihre Hand ließ von dem Haar ab.
    Manche Erinnerungen blieben am besten unberührt.
    In dem Moment erhob sich eine Stimme aus den Flammen, eine Stimme, die Gift in ihre Entschlossenheit träufelte. Wie ein geprügelter Hund, der den Schlag seines Herrn fürchtet, spürte Vira’ni, wie ihre Blase versagte und sie sich benässte, während sie den Kopf noch tiefer neigte. Ihre Knochen bebten bei jedem Wort. »Bist du bereit?« fragte der Herr der Dunklen Mächte.
    »Ja, Herr.« Sie küsste den Boden, der durch ihre Blasenschwäche beschmutzt worden war. Ihre Spinnenkinder stoben davon, huschten unter totes Laub und Aas. Selbst dieser kleine Rest der Horde kannte die Stimme des Vaters.
    »Dein Gebiet ist sicher?«
    »Ja, Herr. Meine Kinder bewachen den gesamten Pass. Wenn die Hexe hier vorbeikommt, wird die Horde mich rufen. Ich bin bereit.«
    »Und du kennst deine Pflicht?«
    Sie nickte und rieb die Stirn im Schlamm. »Alle müssen sterben.«
     

 
     
    2
     
    Elena schloss die Augen und ließ sich von der Bewegung des Pferdes einlullen. Ihre Beine reagierten mit müheloser Vertrautheit auf das Schwanken und Wiegen ihres Reittiers; die Trennung zwischen Tier und Reiterin schien aufgehoben.
    Obwohl sie jetzt bereits seit beinahe einem Tag ohne Unterbrechung ritten, hatten die Gefährten nur eine geringe Strecke vom Pass aus zurückgelegt. Der schaukelnde, quietschende Wagen zwang sie zu einer Gangart, die nicht schneller war als ein flottes Schritttempo; und zu ihrem Nachteil mussten einige angeschwollene Bäche mit großer Vorsicht durchwatet werden, da sich die reißende Strömung als tückisch für Rad und Huf erwies.
    Während die anderen murrten und schimpften, machte Elena das alles nichts aus; sie freute sich einfach nur, endlich wieder einmal auf ihrem eigenen Pferd zu sitzen. Die kleine graue Stute, Nebelbraut, war das Einzige aus ihrer Heimat, was ihr nach den Schrecknissen des letzten Herbstes geblieben war. Nun, da sie so dahinritt, kamen ihr all diese grauenvollen Ereignisse wie der bloße Nachhall eines bösen Traums vor. Wenn sie so die Augen schloss, konnte sie sich beinahe vorstellen, wieder durch die Felder und Obsthaine ihres heimatlichen Tals zu streifen. Ihre Hand streichelte die dunkle Mähne der Stute, fuhr mit zitternden

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