Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
sofort zuschlagen! Wozu soll das verfluchte Warten gut sein?«
»Du kennst den Grund«, antwortete Kast. »Tyrus ist mit den Zwergen auf dem Weg durch den Steinwald. Sie haben die Position für den Angriff auf den Nordeingang des Berges noch nicht erreicht.«
»Sie können doch eingreifen, wenn sie da sind! Warum hindert uns das, im Süden schon einmal anzufangen?«
Kast seufzte. Der Streit war alt; der Plan stand in groben Zügen seit langem fest. Es gab nur zwei Wege ins Innere von Schwarzhall. In zwei Tagen sollten die Zwerge bei Sonnenaufgang von Norden über die Landbrücke marschieren, während sich die De’rendi und die Mer’ai den Seehafen im Süden vornahmen und die Kriegsschiffe der Elv’en aus der Luft beide Parteien unterstützten.
Im Einzelnen gab es jedoch noch reichlich Spielraum, was bei den verschiedenen Flotten für heftige Diskussionen sorgte. Tag und Nacht flogen Botenkrähen zwischen den Schiffen auf See und in der Luft hin und her, und berittene Kuriere fegten auf ihren Seedrachen mit letzten Befehlen oder Vorschlägen durch die Tiefen des Meeres. Allmählich entwickelte sich aus alledem ein ausgefeilter Plan. Es wäre nicht gut, jetzt etwas zu überstürzen.
Der Großkielmeister hörte nicht auf zu murren. Kast sah Bilatus an. Der Schamane legte dem Alten die Hand auf die Schulter. »Du brauchst Ruhe.«
Der Großkielmeister schüttelte ihn ab. »Lass mich in Frieden!«
Kast streckte sich. Sein Rücken schmerzte. »Ich gehe jedenfalls raus und schnappe frische Luft«, sagte er. »Wir können weitermachen, wenn der Mond aufgeht.«
»Ich könnte einen Happen aus der Kombüse vertragen«, räumte der Großkielmeister widerwillig ein.
»Ich komme nach«, sagte Kast. »Zuerst laufe ich ein paar Mal über das Deck.«
Die beiden anderen nickten. Sobald sie den Raum verlassen hatten, gingen sie getrennte Wege.
Kast stieg an Deck und ließ sich die Nachtluft um die Nase wehen. Sie roch nach Salz und Schwefel. Eine Bö aus einer anderen Richtung erzeugte Nebelschwaden. Es war ein seltsames Meer.
Er ging zur Steuerbordreling hinüber. Ringsum war der schwarze Ozean voller Segel. Über den Mastspitzen schwebten die Elv’en Schiffe, große schwarze Donnerwolken mit rötlich leuchtendem Kiel. Von ferne war das schrille Pfeifen der Seedrachen zu hören. In der Nähe spielte leise eine Laute, und irgendwo sang ein Seemann ein sehnsüchtiges Liebeslied.
Kast stützte sich auf die Reling. Bald würde alles vorbei sein. Er schüttelte den Kopf. An sich waren alle ihre Pläne sinnlos. Die Entscheidung würde fern von hier auf einem anderen Schlachtfeld fallen.
Was immer der Herr der Dunklen Mächte auch mit der Welt vorhatte, um sie endgültig zu vernichten, die Tat würde nicht von diesen seltsamen Gewässern ausgehen. Was sie hier planten, war nichts als ein Ablenkungsmanöver, um den Schwarzen Herrscher bei seinem eigentlichen Angriff zu stören.
Kast wagte nicht einmal einen Blick nach Südwesten zu werfen, wo weit weg inmitten der Berge die kleine Stadt Winterberg lag. Die Schlacht dort ging ihn nichts an.
Stattdessen wandte er sich nach Norden. Dort glühte der Horizont in feurigem Licht und lauerte ein schwarzer Schatten.
Ein Schatten namens Schwarzhall.
FÜNFTES BUCH
Wintershorst
19
Tol chuk saß in der Wohnstätte seiner Familie am Feuer. Der Morgen war nicht mehr weit; die anderen lagen noch, in ihre Schlafsäcke eingerollt, auf dem Boden.
Er schaute in die Flammen und genoss die Ruhe vor dem Tagesbeginn. In der Höhle war es still und friedlich. Keine Stimmen, kein Streit, niemand, der etwas von ihm wollte.
Das würde sich sofort ändern, wenn die Sonne aufging. Als neuer geistiger Führer der Stämme war er für das Wohl der Clans verantwortlich, eine Last, die ihn nicht weniger drückte als der Stein, den er an seinem Schenkel trug. Wie von selbst tasteten seine Finger nach dem Beutel aus Ziegenleder.
Das Blut der Bösewächterin Vira’ni hatte das Herz seines Volkes in Schwarzstein verwandelt, und daran hatte sich bisher auch nichts geändert. Tol chuk wagte nicht mehr, mit dem Stein in die Nähe der Geistpforte in den Tiefen des Berges zu kommen, aus Angst, die Verderbnis könnte auf den Herzsteinbogen übergreifen. Folglich konnte er auch die Pforte nicht öffnen, um Svesa’kofa um Rat zu fragen. Svesa’kofas Worte verfolgten ihn unablässig: Die Pforte muss geschützt werden … Und der Beschützer bist du. So vergingen die Tage.
Was sollte er tun? Er hatte die
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