Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
Welt bedroht.«
»Und was ist das?«
Die Gestalt schwebte näher und hielt vor Elena an. Eine dunkle Hand erhob sich und strich Elena über die Wange. Sie spürte die Berührung wie Feuer und Eis auf der Haut. »Nicht was, sondern wer«, flüsterte sie.
»Wer?« wiederholte Elena.
Die Hexe brachte ihren Mund dicht an Elenas Ohr. Elena spürte keinen Atem, aber die Antwort drang deutlich zu ihr. »Du.«
Sie fuhr erschrocken zurück. »Ich?«
Der Geist folgte ihr. »Eine schwarze Flut kommt auf die Welt zu. Das wird schon seit uralter Zeit geweissagt, von Sehern aus vielen Ländern. Und alle Prophezeiungen laufen auf eine einzige Person zu nicht auf Ly’chuk, sondern auf dich, Elena Morin’stal, die du Hexen und Elv’en Blut in den Adern hast. Du wirst die Fäden in Händen halten, an denen das Schicksal der Welt hängt.«
»Was muss ich tun?«
»Du wirst an einen Wendepunkt gelangen und hast zwischen zwei Möglichkeiten zu wählen. Deine Entscheidung wird der Welt zum Heil oder zum Unheil gereichen. Und darin liegt die eigentliche Gefahr.«
»Wie?« Elena richtete sich auf, aufflammender Zorn riss sie aus ihrer Erstarrung. »Natürlich werde ich mich dafür entscheiden, die Welt zu retten, und koste es auch mein eigenes Leben.«
Die Hexe lächelte geheimnisvoll. »Genau darin besteht die Gefahr, von der ich spreche, nur deshalb habe ich einen Teil meiner Seele so lange in diesem Stein eingeschlossen. Denn eines musst du wissen: Deine Entscheidung wie sie auch ausfällt wird alles zerstören.«
Elena sah ihre Peinigerin an und flüsterte: »Was soll ich tun?«
Svesa’kofa schüttelte den Kopf, die silbrigen Fäden bewegten sich unruhig. »Darauf kann ich dir nicht antworten. Alle Schicksale werden hineingerissen in diese dunkle Flut. Was danach kommt, vermag niemand zu erkennen.«
»Aber …«
Die dunkle Gestalt beugte sich noch dichter zu ihr. »Höre auf dein Herz. Höre auf die Freunde, die ihm nahe stehen. Dann suche deinen eigenen Weg aus der Finsternis einen Weg, den niemand finden kann außer dir.«
»Und wie?«
Wieder streckte die Hexe ihre ebenholzschwarze Hand aus und berührte Elenas Brust wie mit Feuer und Eis. »Die Antwort liegt bereits hier drin verborgen. Aber du musst sie finden … sonst ist die Welt wahrhaftig verloren.«
Er’ril dämmerte unter Schmerzen vor sich hin. Bei jeder Bewegung rieben die zertrümmerten Knochen in seinem eingeklemmten Bein aneinander und bereiteten ihm Höllenqualen. Als er sah, wie Elena sich von der Hexe abwandte und, ein Bild der Verzweiflung, auf ihn zustolperte, versuchte er dennoch, sich unter der Steinlawine hervorzuziehen.
Elena fiel auf die Knie, als hätten die Worte des Geistes sie niedergeschmettert.
»Elena!« rief Er’ril aber sie hörte ihn nicht. Er streckte die Hand nach ihr aus, aber sie war zu weit entfernt.
Was hatte ihr die Hexe gesagt?
Er hatte zwar gesehen, wie die beiden die Lippen bewegten, aber irgendeine Magik hatte die Stimmen gedämpft, sodass sie nicht zu ihm oder zu den anderen dringen konnten.
Jetzt zerriss die Stille, und die Hexe sprach so zu Elena, dass alle es hören konnten. »Bewahre meine Worte fest in deinem Herzen, und sprich mit niemandem darüber. Denn hier konnte keiner uns hören.«
Elena sah zu ihr auf. Die Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben. »Wie kann ich das für mich behalten?«
Svesa’kofa kniete nieder und berührte ihre tränennassen Wangen. »Weil du es musst, und in deinem Herzen weißt du das auch. Du würdest ihnen nur den Mut nehmen, wenn sie ihn am nötigsten brauchen. Diese Botschaft ist nur für dich allein bestimmt. Du musst dich der Herausforderung stellen.«
»Aber wie soll ich …?« Elena sah sich nach den anderen um. Auf Er’ril blieb ihr Blick ruhen. »Wie …?« flüsterte sie unter Tränen.
Die Hexe folgte ihrem Blick. Die alterslosen schwarzen Augen ruhten auf Er’ril. Er spürte, dass sie etwas von ihm wollten aber was?
Svesa’kofa sprach weiter, bevor er ihren Blick enträtselt hatte. »Über das Wie dieser Welt kann ich dir nichts sagen. Ich weiß nur, dass der Ausgang feststeht.«
Elena schlug weinend die Hände vor das Gesicht. Svesa’kofas Augen waren immer noch stumm und fordernd auf Er’ril gerichtet.
Und er mit seinem gebrochenen Bein, eingeklemmt unter den Steinen, tat das Einzige, was er konnte: »Elena«, sagte er leise.
Diesmal hörte sie ihn und ließ die Hände sinken.
»Ich liebe dich«, sagte er, und ihre Blicke trafen sich. »Was immer
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