Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
erhält, ist immer noch von dir geprägt.«
»Sie gehört noch immer zu mir?« Joach zitterte. Der Gedanke war ihm ein Gräuel.
»Und sie drängt zu dir zurück, so wie ein Bach den Drang hat, bergab zu fließen. Du bist für sie das natürlichste Gefäß, ich halte sie lediglich mit der Kraft meines Willens in mir fest. Um sie dir zurückzugeben, würde es genügen, wenn ich dich mit der Hand berührte und sie freiließe.«
»So einfach ist das?« Joach konnte nicht verhehlen, wie erstaunt er war.
»Gewiss.«
»Und die Rose?«
»Ist ein Gebilde, das du selbst geschaffen hast. Damit ist sie ebenso ein Teil von dir wie dein Arm oder dein Bein. Um sie zum Leben zu erwecken, brauchte ich nur ihre Blütenblätter zu berühren und etwas von der in mir gefangenen Energie in sie einströmen zu lassen Energie, die genau wie die Rose dein Muster trägt. Sobald das Gefäß voll war, unterbrach ich den Strom und kappte die Verbindung. Nun war die Rose lebendig.«
Joach lehnte sich zurück. Er war sprachlos. »Das heißt, ich kann jedes meiner Traumgebilde zum Leben erwecken, indem ich meine eigene Energie einfließen lasse und mir einfach wünsche, dass es lebt.«
Der Dunkelmagiker nickte. »Die stärkste Magik ist oft auch die einfachste.«
Joach schloss die Augen. Ein Zittern überlief ihn. Wenn das wahr wäre, könnte er Kesla ins Leben zurückholen! Aber durfte er Greschym vertrauen? Zuerst brauchte er einen Beweis. Er legte seinen Stab über die Knie.
»Was hast du vor?« fragte Greschym.
»Ich probiere es aus.« Joach schüttelte den Ärmel zurück, sodass der Armstumpf zum Vorschein kam. Die Hand hatte er an den Gnom dieses Magikers verloren. Er fuhr mit dem Stumpf über seinen versteinerten Stab und beschwor die darin enthaltene Magik und das gespeicherte Bildnis einer Hand. Die Hand erblühte so glatt und faltenlos wie einst, als er noch jung war. Er konnte die Finger bewegen und sogar Gegenstände heben, aber der neue Körperteil war so kalt und unempfindlich, als steckte er in einer Eishülle. Joach konnte die Hand lebendig erscheinen lassen, aber in Wirklichkeit blieb sie tot.
Er sah zu Greschym hinüber. »Ich brauche also nur zu wollen, um eines von meinen Gebilden zum Leben zu erwecken?«
Der Dunkelmagiker bestaunte die Schöpfung und nickte. Joach entging nicht, wie begehrlich sein Blick seinen eigenen vernarbten Armstumpf streifte der Magiker hatte, wenn auch schon vor Jahrhunderten, ebenfalls eine Hand verloren. »Wenn ich deine Gaben hätte …«, murmelte er.
»Was muss ich tun?« fragte Joach.
Greschym sah sich die Hand aufmerksam an. »Du musst etwas von deiner Lebensenergie in das Bildnis einfließen lassen. Du brauchst es nur zu wünschen. Nachdem die Energie von dir geprägt ist, wird sie die Leere füllen.«
Joach starrte die Traumhand an. Wollen, dass sie lebte? Konnte es so einfach sein? Er schloss die Augen und stellte sich vor, er sei heil und unversehrt, vollkommen an Leib und Gliedern. Er malte sich einen Fluss aus, der sich mit seinem Blut vom Herzen aus nach allen Richtungen fortbewegte: die Beine hinab und die Arme hinauf bis in die Finger und Zehen. Dann wartete er aber nichts geschah. »Es hat nicht geklappt!« platzte er heraus.
»Wirklich nicht?« fragte Greschym.
Joach hob die neue Hand. Erst jetzt bemerkte er die Runzeln und Falten, die bläulichen Adern, die papierdünne Haut. Die Hand war gealtert. Er verglich sie mit seiner Linken. Sie glichen sich aufs Haar. »Das begreife ich nicht.« Er bewegte die neu geschaffenen Finger und spürte den Schmerz in den abgenutzten Gelenken.
»Du hast den Traum zum Leben erweckt zu wahrem Leben. Nun muss er sich dem Alter deiner Energie anpassen. Du bist alt, also ist auch das Traumgebilde alt.«
Joach fuhr mit der neuen Hand über seinen Stab. Er spürte die grobe Körnung, die scharfen grünen Kristalle, die im Holz eingebettet waren. Die Hand war wirklich! Er schloss die Augen und wandte sich der einen großen Hoffnung zu, die sein Herz erfüllte.
Kesla …
Greschym hatte wohl in seinen Gedanken gelesen. »Das war gute Arbeit. Aber um einen Menschen in seiner ganzen Vielfalt zum Leben zu erwecken, musst du einen beträchtlichen Teil deiner eigenen Energie aufwenden mehr, als du erübrigen kannst.«
Joach schlug die Augen auf. »Aber wenn ich dich freilasse, gibst du mir doch die Hälfte von dem zurück, was du mir gestohlen hast.«
Der Dunkelmagiker nickte. »So ist es abgemacht.« Wieder verzog sich sein Mund zu diesem
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