Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
aufgegangen war, herrschte überall noch reges Treiben. Die beiden konnten sich davonschleichen, ohne aufzufallen.
Joach deutete mit dem Kopf nach vorn. »Ich bringe dich bis zur Pferdekoppel. Dort wirst du mir meine Winter zurückgeben. Wenn du falsches Spiel mit mir treibst oder mich in irgendeiner Weise bedrohst, löst sich der Zauber auf, und jeder kann dich sehen.«
»Einverstanden«, flüsterte Greschym.
Joach ließ den Dunkelmagiker einen Schritt vorangehen. Er war darauf gefasst, im letzten Moment noch hereingelegt zu werden, aber Greschym marschierte, ohne zu zögern, auf die behelfsmäßige Umzäunung zu, hinter der ein paar Pferde standen. Für Rorschaff, Krals einstiges Schlachtross, hatte man eine eigene Absperrung errichtet. Der Rappe schüttelte die Mähne und wieherte, als sie näher kamen. Seine Nüstern blähten sich, und er scharrte mit seinem eisenbeschlagenen Huf im Schlamm. Die Witterung der Besucher war ihm offensichtlich nicht geheuer.
»Ich nehme lieber ein anderes Tier als diese schwarze Bestie«, sagte Greschym. »Was nutzt mir meine Freiheit, wenn ich mir gleich auf dem ersten Waldweg das Genick breche?«
Joach trat an das Koppelgatter. »Deine Freiheit bekommst du erst nach Zahlung der letzten Rate.«
Der Dunkelmagiker seufzte. »Wenn es denn sein muss.« Er wandte sich Joach zu. »Eine Berührung genügt wie vorhin bei der Rose.«
Joach hielt ihm die neue Hand hin.
Greschym legte die seine darauf. »Vorsicht … Es könnte einen Ruck geben.«
Joach spannte alle Muskeln an, doch es war unmöglich, sich auf diese Empfindungen vorzubereiten und er hätte es auch gar nicht gewollt. Eine Woge des Wohlbehagens ergoss sich in seine Handfläche und strömte durch seinen Arm. Stoßweise, wie von einem schlagenden Herzen in den Körper gepumpt, füllte die Wärme seine Beine, schwappte den Rumpf hinauf und schlug über dem Kopf zusammen. Er glaubte, darin zu ertrinken, alles verschwamm ihm vor den Augen, doch schon wurde sein Blick wieder scharf. Greschym nahm die Hand weg. Joach starrte den Dunkelmagiker hinter der illusionären Elv’en Gestalt an. Greschym war nicht mehr jung, sondern stand irgendwo in der Mitte seines Lebens. Das kupferrote Haar war am Ansatz deutlich zurückgewichen und nicht mehr ganz so kräftig in der Farbe. Aber er war noch lange kein alter Mann.
»Wie fühlst du dich, mein Junge?« fragte der Dunkelmagiker verdrießlich. Er war etwas unsicher auf den Beinen. Was Joach als angenehme Stärkung empfunden hatte, hatte ihn sichtlich geschwächt.
Joach hob die Arme und staunte über ihre Kraft. Er richtete sich auf und stellte fest, dass der Greisenbuckel verschwunden war. Als er sein Gesicht betastete, war die Haut nicht mehr schlaff, sondern glatt und fest. Ein Lachen sprang ihm von den Lippen, kühn und kraftvoll, nicht heiser und keuchend. Er atmete tief ein und genoss es, wie seine Brust sich dehnte. »Ich bin wieder jung.«
»Jünger«, verbesserte Greschym. »Du siehst aus wie ein Mann von dreißig Wintern.«
Joach ließ sich nicht beirren. Im Vergleich zu vorher fühlte er sich wie neugeboren. Wieder lachte er vor Glück.
»Darf ich jetzt gehen?« fragte Greschym.
Joach überlegte, ob er sein Wort brechen und den Mann in sein Gefängnis zurückschleppen sollte, aber Greschym hatte sich an die Absprache gehalten, und er wollte ihm nicht nachstehen. »Geh, und lass dich nie wieder hier blicken. Niemand wird nach dir suchen.«
Greschym öffnete das Gatter und fing sich einen Rotschimmelwallach ein. Er trug keinen Sattel, aber der Dunkelmagiker nahm eine Trense von einem Haken und zäumte ihn geschickt auf. »Wie willst du dein jugendliches Aussehen erklären? Werden die anderen nicht misstrauisch werden?«
»Auch dafür habe ich deinen toten Doppelgänger geschaffen. Er soll nicht nur verhindern, dass jemand nach dir sucht, sondern liefert auch gleich die Erklärung für meine wiedergewonnene Jugend.«
Greschym stieg auf eine Querstange, schwang sich auf den Pferderücken und trieb das ungesattelte Tier im Schritt aus der Koppel.
»Ich verstehe. Du wirst behaupten, du hättest durch meinen Tod ohne dein Zutun einen Teil deines gestohlenen Lebens zurückerhalten. Gut ausgedacht.«
Joach zuckte die Achseln. »Komm ja nicht wieder.«
»Keine Sorge. Ich fürchte, ich bin ohnehin schon viel zu lange geblieben.«
Der Dunkelmagiker drehte sich noch einmal um und sah ihn merkwürdig an. »Ach ja, noch etwas. Genieße deine Jugend, solange du sie noch
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